Wann kommt eigentlich autonomes Fahren?

Neben der Elektromobilität ist ein weiterer Trend in Sachen Mobilitätswende im Gange: autonomes Fahren. Doch anders als Elektroautos stehen autonome Autos noch am Anfang. Wie weit ist die Entwicklung also? Und wie sieht es rechtlich aus?

Autonomes Fahren ist schon längere Zeit ein Thema und wird immer wieder diskutiert. Doch wann kommt es denn genau – das autonome Fahren? Der Zeitpunkt, wann selbstfahrende Autos in Deutschland auf die Straßen kommen sollen, ist immer noch unklar.

Zwar gibt es heute bereits einige Top-Modelle, die hochautomatisiert sind, aber es wird dauern, bis die Entwicklung auch zum Standard im Privatwagen wird. Das sogenannte automatisierte Fahren nach SAE-Level 3, also das zeitweise selbstständige Übernehmen von bestimmten Fahraufgaben ohne menschliches Eingreifen, ist bereits seit Mitte 2017 in Deutschland gesetzlich erlaubt. Dies umfasst beispielsweise das Bremsen oder Beschleunigen und sogar das Überholen, wobei Fahrer oder Fahrerin jederzeit eingreifen können müssen.

Wirklich autonom wird das Fahrzeug aber erst ab SAE-Level 4. Mit dem neuen Gesetz zum autonomen Fahren, das im Juli 2021 in Kraft getreten ist, können Fahrzeuge dieser Klasse in bundesweiten, festgelegten Betriebsbereichen am Regelbetrieb des öffentlichen Straßenverkehrs teilnehmen. Aufgrund des hohen Preises dürfte dies aber wohl zunächst für kommerzielle Dienstleister interessant sein. Christoph Stiller, Leiter des Instituts für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schätzt, dass es vermehrt automatisierte Taxis und Busse schon ab ca. 2025 auf deutschen Straßen geben wird. Ab 2030 könnten hingegen automatisierte Lkw über die Autobahnen rollen, glaubt Tobias Hesse vom Institut für Verkehrssystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).


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Was ist autonomes Fahren?

Grundsätzlich gibt es vom Verband für Automobilingenieure, dem SAE (Society of Automotive Engineers) 5 Klassifikationen des automatisierten Fahrens von PKWs. Stufe 0 ist mit „Keine Automation“ gekennzeichnet und Stufe 5 mit „Volle Automation“. Seit 2016 gibt es Fahrzeuge mit den Automatisierungsstufen 2 bis 3 im Straßenverkehr. Inzwischen ist auf bestimmten, festgelegten Strecken sogar autonomes Fahren der Stufe 4 möglich.

  • Level 1: Assistiertes Fahren.
    Hier haben Sie als Fahrer*in die volle Kontrolle über das Fahrzeug und wirst maximal über einzelne Assistenzsysteme unterstützt. Das können beispielsweise ein Tempomat oder der automatische Spurhalteassistent (LKAS, Lane Keeping Assistant System) sein.
  • Level 2: Teilautomatisiertes Fahren.
    In bestimmten Querbewegungen, also zum Beispiel beim Überholen oder Einparken, übernimmt das Fahrzeug die Kontrolle. Sie haben zwar immer die Übersicht über das Geschehen, müssen aber nicht in jedem Fall die Hände am Steuer haben.
  • Level 3: Hochautomatisiertes Fahren.
    Ab jetzt übernimmt das Fahrzeug unter bestimmten Hersteller-Bedingungen die Steuerung, das Bremsen und das Beschleunigen selbstständig. In der Zwischenzeit darf der*die Fahrer*in die Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abwenden und beispielsweise Zeitung lesen. Sobald sich das System aber meldet, muss unverzüglich eingegriffen werden.
  • Level 4: Vollautomatisiertes Fahren.
    Hier können Sie sich zurücklehnen, denn das Fahrzeug bewältigt beispielsweise auf der Autobahn alle Aufgaben vollkommen selbstständig. Es ist sogar erlaubt, während der Fahrt zu schlafen, denn das System kann stets einen sicheren und regelkonformem Zustand bewahren.
  • Level 5: Autonomes Fahren.
    Das System bewältigt alle Aufgaben so selbstständig, dass sogar Fahrten ohne Insassen möglich sind. Lenkrad oder Pedale werden nicht länger benötigt und daher gar nicht erst eingebaut. Das Fahrzeug bewältigt jede Verkehrssituation und kann sogar autonom und sicher durch einen Kreisverkehr führen.

Wie funktioniert autonomes Fahren?

Autonomes Fahren funktioniert durch ein Zusammenspiel von verschiedenen Sensoren auf der Straße und im Auto selbst. Mithilfe von Kameras, Radar- und Laser-Sensoren werden verschiedene Verkehrssituationen erkannt und bewältigt. Um die Sicherheit zu gewährleisten, sollen autonome Fahrzeuge das Verkehrsgeschehen für rund zehn Sekunden vorausberechnen können. Um dies zu leisten, sind starke Rechenleistungen notwendig – etwa so viel wie 15 Laptops oder sogar mehr!

Welche Hersteller bieten autonomes Fahren an?

Auch wenn viele Expert*innen den USA – und dabei insbesondere der Google-Schwester Waymo – die Vorreiterrolle zuschreiben, sind einige deutsche und europäische Automobilhersteller auf dem Markt vertreten. Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München, unterstreicht, dass genau da die Unterschiede liegen: „Während sich amerikanische Unternehmen eher als Softwareunternehmen verstehen, agieren europäische Unternehmen als klassische Automobilhersteller“.

Zumindest das hochautomatisierte Fahren nach SAE-Level 3 ist bereits auf unseren Straßen zu finden, etwa in der Mercedes S-Klasse, beziehungsweise der Elektro-Version EQS. Hier übernimmt das Fahrzeug die meiste Zeit das Steuer, während der Mensch nur bei kritischen Situationen ins Lenkrad greifen muss.

Volkswagen präsentierte auf der IAA 2021 den Prototypen des selbstfahrenden, vollelektrischen Bulli ID.Buzz. Damit sollen schon 2025 die Fahrgäste des Hamburger Ridesharing Dienstes Moia sicher zum Ziel gebracht werden.

Mit dem iNEXT von BMW können Fahrerin oder Fahrer zwischen zwei Modi wählen: Der „Boost“-Modus verlangt die ungeteilte Aufmerksamkeit, im „Ease“-Modus übernimmt die Technik und bringt Sie ans Ziel.

In den USA sind autonome Fahrten beispielsweise im Tesla schon seit einigen Jahren Realität. Überschattet von tödlichen Unfällen rückt die ständige Weiterentwicklung technischer Systeme aber immer wieder in den Vordergrund. Christian Weiß ist Systementwickler bei Daimler und betont: „Grundsätzlich gilt, dass bei uns Sicherheit vor Schnelligkeit geht“.

Welche Vorteile hat autonomes Fahren?

Ein Vorteil des autonomen Fahrens liegt klar auf der Hand: mehr Zeit. Wer mit dem autonomen Auto fährt, kann währenddessen produktiv sein oder sich ausruhen, statt konzentriert auf die Straße zu blicken oder im Stau die Nerven zu verlieren. Auch ältere Personen oder Menschen mit Behinderung können barrierefrei am Straßenverkehr teilnehmen. Und da etwa 90 % aller Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, könnten sogar die Unfallzahlen sinken.

Da das autonome Fahren voraussichtlich zunächst von kommerziellen Dienstleistern angeboten wird, könnten Transportgüter effizienter und beispielsweise vorwiegend nachts befördert werden. Dies trüge zu weniger Stoßzeiten und somit weniger Staus auf den Straßen bei. Ein automatisierter Nahverkehr könnte außerdem kostengünstig auch unsere ländlichen Gebiete erschließen.

Was sind die größten Hürden bei der Entwicklung autonom fahrender Autos?

Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung autonom fahrender Autos liegt in der richtigen Einschätzung der Systeme. Aus diesem Grund sammelt beispielsweise BMW mit einem Team aus 1.700 Spezialisten und 40 Testfahrzeugen riesige Datenmengen aus dem Straßenverkehr. Die künstliche Intelligenz hinter dem autonomen Fahren muss lernen, was sich der Mensch durch Erfahrung angeeignet hat – denn eine Fehleinschätzung wäre lebensbedrohlich. Der wissenschaftliche Direktor für simulierte Realität am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Philipp Slusallek, bringt es auf den Punkt: „Die größte technische Herausforderung liegt aktuell darin, dass wir für entsprechende KI-Systeme bisher nicht in der Lage sind, Garantien über ihr korrektes Verhalten beziehungsweise dessen Grenzen anzugeben.“

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Christoph Stiller, Leiter des Instituts für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), weiß, dass diverse Pilotprojekte der Level 4-Technologie schon zuverlässig auf der Straße funktionieren. Erprobungsfahrzeuge erkennen schon heute mit Kameras, Lidar- und Radarsensoren die Fahrzeugumgebung und können andere Verkehrsteilnehmer oder Autos mit hoher Zuverlässigkeit wahrnehmen. Man scheint also auf dem richtigen Weg zu sein.

Wie sieht die Rechtslage aus?

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat dem Deutschen Bundestag und Bundesrat Anfang 2021 den Entwurf für eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zugunsten des autonomen Fahrens in Level 4 vorgelegt, die am 28. Juli 2021 in Kraft getreten ist. Damit können bundesweit in festgelegten Bereichen vollautomatisierte Fahrzeuge im Regelbetrieb des öffentlichen Straßenverkehrs fahren.

Deutschland ist damit der weltweit erste Staat, der dies erlaubt. Mit Blick auf harmonisierte internationale Standards ist das BMVI daher auch Vorreiter für die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens auf EU- und UNECE-Ebene.

Während die Einsatzszenarien unbegrenzt sind und von Shuttle-Verkehr bis zur Beförderung von Gütern auf der ersten oder letzten Meile reichen, sind die Betriebsbereiche örtlich begrenzt. Auf umständliche Einzelgenehmigungen oder Ausnahmen kann somit verzichtet werden, sofern die Fahrzeuge im festgelegten Betriebsbereich fahren.

Autonomes Fahren – wo stehen wir heute?

Es sind heute schon kleinere vollautonome Busse unter anderem in Berlin und Kopenhagen unterwegs. Diese Busse fahren zwar langsam, sollen aber schneller fahren können, sobald sie ausreichend getestet wurden. Auch in vielen anderen Städten Deutschlands laufen Projekte mit autonom fahrenden Bussen. In Braunschweig war von 2010 bis 2020 ein selbstfahrendes Auto vom Institut für Regelungstechnik in der Stadt unterwegs. „Leonie“ fuhr mit bis zu 60 km/h autonom im Stadtverkehr und hat sich mit Hilfe von Satelliten und Sensorik orientiert. Ein Startschuss, denn die Forschung am Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik geht weiter.

Familie fährt im Auto

Wie die aktuelle Gesetzesanpassung zeigt, sind auch die politischen Bestrebungen groß, Deutschland beim Thema automatisiertes und vernetztes Fahren voranzubringen und sich die Vorreiterrolle zu sichern. Wir sind also gespannt, wann wir Menschen hinter dem Lenkrad sehen, die anderes tun, als Auto fahren.