Die Aktivitäten in diesen Bereichen sind in den einzelnen Staaten unterschiedlich weit vorangeschritten – je nach politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Doch der Weg ist vorgezeichnet: Immer mehr Menschen werden elektrisch fahren.
Die Europäische Union hat entschieden, dass die CO₂-Emissionen der Neuwagenflotten bis zum Jahr 2030 um 35 Prozent reduziert werden müssen. Dies kann nur gelingen, wenn die Hersteller verstärkt in die Produktion elektrisch betriebener Fahrzeuge investieren.
Der Auftrag ist eindeutig, jetzt kommt es auf die Umsetzung an – und die erfolgt keineswegs geradlinig. „Die Entwicklung verläuft regional sehr unterschiedlich, man kann nicht von einem weltweit einheitlichen E-Auto-Markt sprechen“, sagt Nicolai Müller, Senior Partner bei McKinsey, der mit seinem Team regelmäßig den Fortschritt der E-Mobilität in den auf diesem Gebiet 15 wichtigsten Ländern misst.
Fakt ist: Ausgehend von einem niedrigen Niveau wächst die Elektromobilität. Bis Ende 2018 ist der Bestand an Elektroautos weltweit auf 5,6 Millionen gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Plus von rund 74 Prozent. In absoluten Zahlen ist China das Maß aller Dinge. Mit über 1,2 Millionen verkauften Elektroautos – dies entspricht einer Verdopplung gegenüber dem Vorjahr – wurde 2018 weltweit mehr als jedes zweite E-Auto im Reich der Mitte zugelassen. Auch in den USA hat sich die Nachfrage nach E-Fahrzeugen im Jahr 2018 deutlich erhöht: 356.000 Neuzulassungen bedeuten ein Plus von 84 Prozent. Mehr als jedes zweite neue E-Fahrzeug in den USA wurde in Kalifornien zugelassen. Der Westküstenstaat hat seinen Status als Pionier der E-Mobilität abermals bestätigt. In Europa ist die Zahl der E-Autos ebenfalls weiter gewachsen — wenngleich unterschiedlich dynamisch.
Elektrisch aufwärts
In Deutschland führt die E-Mobilität bisher ein Nischendasein. Doch der Trend ist eindeutig: Auch hierzulande steigt die Zahl der E-Autos weiter an.
Deutschland ist bei der Elektromobilität zwar weiter vorangekommen, allerdings mit vergleichsweise gemäßigtem Tempo. Rund 68.000 neue E-Fahrzeuge wurden hier im Jahr 2018 verkauft. Dies entspricht einem Zuwachs von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit ist Deutschland der zweitgrößte Markt in Europa, nach Norwegen. In dem skandinavischen Land sind 2018 über 86.000 E-Autos neu auf die Straße gekommen – bei einer Einwohnerzahl von nur 5 Millionen.
Der Blick auf den Anteil der E-Fahrzeuge am Gesamtmarkt zeigt jedoch, wie sehr der Verkehr noch von Autos mit Verbrennungsmotor dominiert wird. Oder, anders formuliert: welch große Potenziale die Elektromobilität bietet. Ende 2018 betrug der Anteil von Elektrofahrzeugen am weltweiten Fahrzeugbestand immer noch lediglich 0,5 Prozent. Unangefochtener Spitzenreiter in Bezug auf Marktanteile ist Norwegen mit einer Quote von rund 10 Prozent am gesamten Fahrzeugbestand im Land.
Unterschiedliche Zahlen, andere Rahmenbedingungen – je nach Region. „Viele Faktoren unterscheiden sich von Land zu Land, teilweise sogar von Stadt zu Stadt: von der Höhe der Kaufprämien bis hin zur Ladeinfrastruktur und zu den verschiedenen gesetzlichen Regelungen“, erklärt McKinsey-Experte Müller.
Der Strom wird "grüner"
Neue Technologien brauchen passende Rahmenbedingungen: Eine gezielte staatliche Förderung treibt die E-Mobilität entscheidend voran.
Beispiel China: „Das Land ist der globale Taktgeber für die E-Mobilität und setzt diese Rolle mit zunehmender Dynamik fort“, sagt Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). „Maßgebend für diese Strategie sind industriepolitische Motive wie die Unabhängigkeit von Ölimporten und die gezielte Entwicklung von global tätigen Automobilherstellern mit Elektrokompetenz.“
In keinem anderen Land der Welt wird die E-Mobilität so stark gefördert wie in China, hier werden rund 40 Prozent des Kaufpreises eines E-Autos subventioniert. Die Fahrzeuge können einfach angemeldet werden, während bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren das Losglück bei der Zulassung entscheidet. Kein Wunder, dass die Zahl der E-Mobile auf den Straßen Chinas weiter rasant steigen dürfte – von derzeit rund 2,6 Millionen (Ende 2018) auf mehr als 5 Millionen im Jahr 2020. Zudem gibt es Pläne, bis 2025 jährlich 5 Millionen E-Fahrzeuge zu fertigen. Das entspräche der aktuellen Produktionskapazität aller deutschen Autowerke zusammen. Zugleich fließen in China erhebliche Mittel in die entsprechende Infrastruktur. Bis 2020 sollen hier insgesamt 4,8 Millionen neue Ladepunkte für E-Autos entstehen. China meint es ernst mit der Elektromobilität und hat inzwischen auch erkannt, dass die neue Antriebstechnologie ökologisch nur sinnvoll ist, wenn der erforderliche Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird: Das Land, das immer noch sehr von der Kohleverstromung abhängig ist, hat im Jahr 2017 knapp 133 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert – mehr als jeder andere Staat weltweit.
In den USA heißt Elektromobilität Kalifornien
Der Bundesstaat an der Westküste ist auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien Vorreiter.
In den USA herrscht, trotz der Sonderrolle Kaliforniens, (noch) nicht diese hohe Dynamik. In dem Flächenland ist Reichweite ein entscheidender Faktor, zudem sind die fossilen Treibstoffe dort so preiswert, dass Autos mit Verbrennungsmotor in der Käufergunst klar vorn liegen. Mit den prognostizierten rückläufigen Kosten in der Fertigung dürfte aber auch in den USA der Anteil der E-Mobile weiter wachsen. Zudem wird der US-Markt von hohen Investitionen der US-Autohersteller in neue Antriebsvarianten profitieren – und von verschärften Emissionsbestimmungen in einigen Bundesstaaten.
Wenig überraschend nimmt Kalifornien auch hier eine Sonderstellung ein: Bis 2030 will der Westküstenstaat seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent senken, und dazu soll die Elektromobilität konsequent ausgebaut werden. In den Vereinigten Staaten insgesamt gilt eine Förderung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Für einen sogenannten Plug-in-Hybrid oder ein Auto mit einer Batterieleistung von mindestens 5 Kilowattstunden erhalten die Käufer eine Gutschrift in Höhe von 2.500 US-Dollar auf die Einkommensteuer. Mit steigender Akkukapazität kann dieser Betrag auf bis zu 7.500 US-Dollar erhöht werden.
Die Ladeinfrastruktur ist in den USA regional sehr ungleich verteilt. An der Westküste findet sich die höchste Konzentration. Auf dem sogenannten „West Coast Electric Highway“, einer Initiative zur Förderung der Elektromobilität, kann alle 40 bis 80 Kilometer Strom getankt werden. Landesweit existieren derzeit rund 16.000 öffentliche und 3.000 private Ladesäulen. Kein Vergleich zu herkömmlichen Tankstellen: Besitzern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor stehen rund 112.000 Stationen mit bis zu 30 Zapfsäulen zur Verfügung. Allen voran die Automobilindustrie will in den kommenden Jahren Milliarden US-Dollar investieren, um diese Infrastrukturlücke zu schließen.
Auch in den USA geht die Ausbreitung der Elektromobilität mit einem Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien einher. Ihr Anteil an der gesamten Energiegewinnung ist im Jahr 2017 um 15 Prozent gestiegen, die Stromerzeugung aus Solarenergie wuchs sogar um 25 Prozent – Kalifornien sei Dank.
Ambitionierte Ziele: Im Jahr 2022 sollen in Deutschland rund 1 Million E-Fahrzeuge unterwegs sein. Also zehnmal mehr als im Herbst 2018.
Dabei ist auch Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren weiter vorangekommen und hat die Ökostromerzeugung im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um rund 6 Prozent erhöhen können. Insgesamt betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Bruttostromerzeugung hierzulande rund 35 Prozent. Ein ähnlich hoher Anteil entfiel auf Kohle.
Vor allem die zunehmenden Diskussionen um Schadstoffgrenzwerte und Fahrverbote haben in Deutschland für eine spürbare Belebung im Markt für Elektromobilität gesorgt. Und dennoch hinkt das Land den eigenen Zielen etwas hinterher. So musste die Bundesregierung ihren Plan, bis zum Jahr 2020 rund 1 Million E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen, auf 2022 verschieben (siehe auch folgendes Interview). Ende 2018 waren knapp 142.000 batteriebetriebene Autos hierzulande unterwegs.
Inzwischen hat die heimische Autoindustrie hohe Investitionen in den Ausbau der Elektromobilität angekündigt und wird in den kommenden Jahren eine Vielzahl neuer E-Auto-Modelle auf den Markt bringen. Zudem setzt die Politik mittlerweile stärker auf eine staatliche Förderung. So erhalten die Käufer eines E-Autos neuerdings auch eine Umweltprämie in Höhe von mindestens 4.000 Euro.
Um die jetzt für 2022 angestrebten 1 Million E-Fahrzeuge mit der entsprechenden Infrastruktur ausstatten zu können, sind erhebliche Anstrengungen erforderlich. Die Experten der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) rechnen damit, dass dafür die Installation von gut 77.000 öffentlichen Ladepunkten notwendig ist. Ende 2018 waren es gut 16.000. Die EnBW hat diesen Bedarf längst erkannt und ist unter den Energieversorgern nicht nur Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern auch beim Aufbau und Betrieb öffentlicher Ladepunkte.
Interview mit Prof. Dr. Henning Kagermann
Die Elektromobilität bringt klare Vorteile für das Klima, die Umwelt und das Leben in Ballungsräumen mit sich – insbesondere einen geringeren Ausstoß von CO₂, lokale Emissionsfreiheit bei Stickstoff- und Feinstaub, weniger Geräuschbelastung. Elektrofahrzeuge sind sauberer und leiser.
In den vergangenen Jahren wurde viel erreicht, Deutschland ist einer der internationalen Leitanbieter für Elektromobilität: Unsere Automobilhersteller erreichen in allen Märkten, mit Ausnahme des Sonderfalls China, einen mindestens vergleichbaren Marktanteil mit ihren Elektrofahrzeugen wie mit ihren konventionellen Fahrzeugen. Jedes dritte Patent weltweit im Bereich Elektromobilität stammt aus Deutschland.
Eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur, passende Rahmenbedingungen, Anreize und attraktive Fahrzeugangebote müssen Hand in Hand gehen – dann kann sich die Elektromobilität schnell im großen Maßstab durchsetzen. Die Förderpakete zum Aufbau von Ladeinfrastruktur etwa zeigen bereits Wirkung: Bis Ende 2018 konnte allein im Rahmen des Förderprogramms der Bundesregierung eine Verdreifachung der Normalladepunkte und nahezu eine Verzehnfachung der Schnellladepunkte erreicht werden.
Damit die hohe Marktdynamik weiterhin aufrechterhalten werden kann, dürfen wir in unseren Bemühungen jetzt nicht nachlassen. Die Kommunen sollten die Vorteile für Nutzer von Elektrofahrzeugen, die das Elektromobilitätsgesetz ermöglicht, flächendeckend umsetzen. Außerdem sollte der Umweltbonus beibehalten werden, bis das Ziel von 1 Million Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen erreicht ist. Flankierend sind weitere Förderaufrufe zum Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur und Anpassungen im Miet- und Eigentumsrecht notwendig, damit die Anzahl der öffentlichen und privaten Ladepunkte mit der Anzahl der Elektrofahrzeuge bedarfsgerecht wachsen kann.
Wenn die Anzahl an Elektrofahrzeugen steigt, werden sie zu einer wichtigen Steuergröße im Energiesektor. Der Bedarf an zukunftsfähiger Ladeinfrastruktur wird dann stetig wachsen. Damit ergeben sich neue Anforderungen an die Leistungsverteilung, denen man durch einen lokalen Ausbau des Energienetzes und ein intelligentes Lastmanagement begegnen kann. Für eine nachhaltige und kosteneffiziente Netzintegration sollte deshalb bereits heute flächendeckend eine intelligente vernetzte und steuerbare Ladeinfrastruktur verbaut werden.
Deutschland ist ein internationaler Leitanbieter für Elektromobilität