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Der Stoff, aus dem die Träume sind, heißt für viele momentan grüner Wasserstoff. Wie sieht für Sie die Wasserstoffwelt der Zukunft aus?

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Jasper: Ich denke, dass ganze Sektoren, wie die Industrie, Wärmeversorgung und die Mobilität auf klimaneutralen Wasserstoff umsteigen werden. Das ist unvermeidlich, weil es technisch und rechnerisch gar nicht anders geht. Auch wir als EnBW müssen in unseren Kraftwerken Mitte der 30er Jahre komplett von Erdgas auf klimaneutralen Wasserstoff umgestiegen sein. Nur so können wir auch mit unseren Gaskraftwerken klimaneutral Strom erzeugen. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, brauchen wir nämlich eine verlässliche Erzeugungsform, die die Menschen weiterhin mit Energie versorgt.

Fakt ist aber auch, dass wir für diesen Umstieg auf klimaneutralen Wasserstoff einen funktionierenden internationalen Markt brauchen, der große Mengen an klimaneutralem Wasserstoff zu entsprechend niedrigen Kosten bereitstellt.

Das heißt, wir werden sehr große Mengen grünen Wasserstoff brauchen. Woher kommt der klimaneutrale Wasserstoff?

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Jasper: Der wird aus unterschiedlichen Quellen kommen. Wir erwarten, dass Deutschland einen Teil – wenn auch nur einen sehr begrenzten – des klimaneutralen Wasserstoffs selbst produziert. Wir werden hier sicher Stunden haben, in denen wir einen Elektrolyseur günstig betreiben können, weil große Mengen erneuerbare Energien bereitstehen. Der größte Teil wird aber wahrscheinlich nicht in Deutschland produziert, sondern in anderen Ländern, wo die Bedingungen günstiger sind. Beispielsweise in Ländern in Südeuropa, die viel Photovoltaik (PV) haben, oder in Norwegen, wo die Wasserkraft sehr stark ausgebaut und viel Windenergie verfügbar ist. Es ist aber auch zu erwarten, dass Nordafrika für unsere Wasserstoffversorgung eine Rolle spielen kann.

Kann der Wasserstoff dann noch klimaneutral sein, wenn er die Strecke von Nordafrika bis hierher transportiert werden muss?

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Dr. Jörg Jasper, Experte für Energiewirtschaft und Energiepolitik bei der EnBW

Jasper: Das ist tatsächlich gar nicht so schlimm. Weil wir ja schon eine Leitungsinfrastruktur haben, nämlich die Erdgaspipelines, die Europa schon heute versorgen und die wir dann auch für die Wasserstoff­versorgung nutzen können.

Kann weltweit überhaupt so viel Wasserstoff produziert werden, um sämtliche fossilen Energieträger zu ersetzen?

Jasper: Ja, ich glaube schon, dass sogar klima­neutraler Wasserstoff in diesen Mengen erzeugt werden kann. Entscheidend ist aber, dass die Rahmenbedingungen jetzt dafür geschaffen werden. Die Politik muss für eine Übergangszeit Förderungen für Unternehmen bereitstellen, die große Mengen grünen Wasserstoff für den Umstieg benötigen. Gerade die Stahl- oder Chemieindustrie setzen aktuell deutlich günstigere Stoffe ein, die dann durch den teureren grünen Wasserstoff ersetzt werden müssen.

Ich denke aber auch, dass die Kosten­reduktions­potenziale bei grünem Wasserstoff so hoch sind, dass er mittelfristig auch preislich attraktiv sein wird. Langfristig rechnen wir damit, dass wir hauptsächlich grünen Wasserstoff haben werden. Es ist aber auch zu erwarten, dass wir zumindest für einen Übergangszeitraum auch blauen Wasserstoff nutzen werden.

Wann, schätzen Sie, werden wir auf Wasserstoff umgestiegen sein?

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Jasper: Alle Industrieländer haben Wasserstoffpläne, das konnten wir kürzlich in einer Studie des Weltenergierats Deutschland sehen. Der geographische Markt wird aber wegen der hohen Transportkosten vor allem aus Europa und den benachbarten Regionen, insbesondere Nordafrika, bestehen. Zumindest auf die nächsten Jahrzehnte gesehen. Ich glaube nicht, dass wir in naher Zukunft einen globalen Wasserstoffmarkt bekommen werden. Wir sind also nicht so stark darauf angewiesen, was Australien oder Chile machen. Eine genaue Jahreszahl für den europäischen Markt zu nennen ist im Moment aber noch nicht möglich. Das hängt davon ab, wie stark die Transportkosten runter gehen. Die Transportlogistik von Wasserstoff steht nämlich noch ganz am Anfang. Wenn sie Wasserstoff heute beispielsweise auf einem Schiff in flüssiger Form transportieren, muss dieser stark runtergekühlt werden. Dadurch entstehen hohe Transportverluste.

Was braucht es, damit der Umstieg gelingt?

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Die bestehende Pipeline-Infrastruktur für Gas könnte künftig für den Transport grünen Wasserstoffs genutzt werden.

Jasper: Neben einem funktionierenden, grenzüberschreitenden Markt brauchen wir auch Klarheit darüber, wie die Übergangsphase von Erdgas zu Wasserstoff aussehen soll. Außerdem ist der Handel mit grünem Wasserstoff noch nicht reguliert, weil bspw. auch noch keine Zertifikate für grünen Wasserstoff existieren. Aus meiner Sicht wäre es zudem hilfreich, wenn Investoren eine besser absehen könnten, bis wann welche Mengen Wasserstoff in Europa benötigt werden. Hier gehen die Schätzungen noch stark auseinander.

Was wir heute aber auf jeden Fall schon wissen: Der gesamte deutsche Wasserstoffbedarf ist erheblich, weil nicht nur die Energiewirtschaft, sondern auch die Industrie, der Verkehr und der Gebäudesektor darauf angewiesen sein werden. Wir haben unter den Fachleuten der EnBW einmal den Wasserstoffbedarf für die Stromerzeugung im klimaneutralen Deutschland 2045 abgeschätzt und erwarten einen Verbrauch von rund 3 Millionen Tonnen allein für die Stromerzeugung. Ein Großteil des Strombedarfs wird 2045 von erneuerbaren Energien abgedeckt werden, sodass die thermischen Kraftwerke nur dann einspringen, wenn der Erneuerbaren-Strom nicht ausreichend zur Verfügung steht.

Zum Vergleich: Aktuell werden in Deutschland insgesamt jährlich etwa 1,7 Millionen Tonnen meist grauer, das heißt nicht klimaneutraler Wasserstoff produziert und verbraucht.

Was müssen wir heute schon dafür tun?

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Jasper: Aktuell stellen wir uns an mehreren Stellen auf den Umstieg ein: zum einen sind wir für den Infrastrukturausbau zuständig. Unser Tochterunternehmen terranets bw wird beispielsweise seine Nordschwarzwaldleitung H₂-ready machen und an die Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP) anschließen, die Gas von den Niederlanden bis in die Schweiz und nach Italien transportiert.

Zum anderen beschäftigen wir uns auch mit dem regulatorischen Umfeld, diskutieren mit der Politik und schildern unsere Sicht der Dinge, um so dann zu einer sinnvollen Regulierung zu kommen.

Insgesamt bin ich sehr optimistisch, dass wir eine effiziente und kostengünstige Versorgung mit Wasserstoff in einem funktionierenden Markt schaffen können. Diesen Optimismus lasse ich mir auch nicht nehmen. Es müssen jetzt eben diese Rahmenbedingungen geschaffen werden, und wenn die da sind, dann bekommen wir das auch hin.

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