Kein Klima der Angst in EnBW-Kernkraftwerken
Karlsruhe. Von interessierter Seite wird der Eindruck konstruiert, als sorge sich auch Umweltminister Jürgen Trittin um ein "Klima der Angst" in den Kernkraftwerken der EnBW, als teile er diese Sorge mit dem baden-württembergischen Wirtschaftsminister Ernst Pfister und als teile er insofern auch dessen Kritik an der EnBW. Weiter kann man kaum daneben liegen - sowohl in der Sache selbst wie auch in der Beschreibung der politischen Konstellation.
"Null-Fehler/Null-Toleranz" ist die Kurzformel für ein nachvollziehbar strenges Prinzip der Sicherheit in den Kernkraftwerken der EnBW. Prof. Dr. Utz Claassen, Vorstandsvorsitzender der EnBW, hat damit zum Ausdruck gebracht, dass der Maßstab für alles Handeln sich hier vor allem und kompromisslos am Ziel der Fehlervermeidung zu orientieren hat - an was denn sonst? "Null-Toleranz" gilt dann, wenn falsche Orientierungen und Einstellungen bei handelnden Personen diesem Ziel im Wege sein sollten. Dazu gehört auch der falsche – z. B. bagatellisierende oder gar vertuschende - Umgang mit technischen oder menschlichen Fehlern, wenn sie denn trotz aller Sorgfalt gleichwohl aufgetreten sein sollten, und mit ihrer Kommunikation. "Null-Toleranz" steht also nicht für bedrohliche und angstmachende Unmenschlichkeit, sondern gerade für den menschlichen und zugleich klaren Umgang mit kompromisslos höchsten Sicherheitsstandards in Kernkraftwerken. EnBW-Technikvorstand Prof. Dr. Hartkopf und die Vorstände der EnBW-Kraftwerksgesellschaft, Dr. Brockmeier und Dr. Zimmer, haben dies der Belegschaft der Kraftwerksgesellschaft in einem unternehmensinternen Rundbrief am 24. September 2004 zudem ausführlich erläutert (siehe Anlage). Was sollte ausgerechnet der Bundesumweltminister gegen dieses intensive Sicherheitsmanagement bei der EnBW einzuwenden haben?
Natürlich nichts - entsprechend hat er sich mehrfach, wie auch sein baden-württembergischer Kollege Minister Stefan Mappus, sehr positiv zu diesen ambitionierten wie deutlichen Schritten der EnBW geäußert. Beide Minister haben dies wiederholt Herrn Claassen persönlich gegenüber telefonisch mitgeteilt, Minister Trittin im Übrigen auch schriftlich in einem Brief vom 27. September 2004 an EnBW-Technikvorstand Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartkopf.
Wenn er dort ergänzend darauf hinweist, dass die Möglichkeit der intern offenen Diskussion von Sicherheitsfragen wesentlicher Bestandteil des Sicherheitsmanagements in den deutschen Atomkraftwerken sein müsse und dass entsprechend auch kein Beschäftigter bei Kritik an diesen Dingen Nachteile erfahren dürfe, trifft er damit exakt die Position der EnBW und namentlich ihres Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Utz Claassen, läuft also mit diesem Hinweis bei der EnBW geradezu offene Türen ein. (siehe auch hierzu unternehmensinterner Rundbrief vom 24. September 2004 in der Anlage) Kurioserweise ist Medienberichten zu entnehmen, dass sich offensichtlich gerade hieran die umlaufenden Spekulationen heften, der Bundesumweltminister habe eine andere Auffassung und ausgerechnet er sorge sich, dass das entschiedene Sicherheitsmanagement der EnBW ihren Mitarbeitern als zu streng erscheinen könne.
Dieser grotesk anmutenden Fehleinschätzung scheint auch der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister erlegen zu sein. Anstatt die Angebote zur Versachlichung der Kontakte zur EnBW aufzugreifen, gießt er erneut Öl ins Feuer: mit dem Vorwurf an Prof. Dr. Utz Claassen "einfach nicht die Wahrheit" gesagt zu haben, betritt er nun endgültig rechtliches Glatteis, zumal schon sein gesamtes Vorgehen als Eingriff in sensibelste Bereiche der Hoheitssphäre eines Unternehmens auch rechtliche Fragen aufwirft. Bekanntlich wird er in Kürze von der EnBW die erbetene Erläuterung zum Prinzip "Null-Fehler/Null-Toleranz" bekommen, den Vorwurf aus seinem Ministerium, die EnBW verstoße damit gegen Genehmigungsauflagen, wird allerdings er zu erklären haben.
EnBW-Kommunikationschef Hermann Schierwater sieht keinerlei Anlass, auch nur ein einziges Wort von seiten des Unternehmens und namentlich ihres Vorstandsvorsitzenden zu korrigieren. Im Übrigen habe dieser nicht als Person, sondern im Namen des einmütigen Konzernvorstands gesprochen. Schierwater: "Inzwischen ist vieles aus dem Wirtschaftsministerium für uns nicht mehr einlassungsfähig. Getreu der Regel, dass jedes Fußballspiel nach 90 Minuten abgepfiffen wird, sollte schon längst der Schlusspfiff gehört worden sein. Also von uns kein weiterer Kommentar, auch damit nicht der "Fall Pfister" letztlich ein falsches Licht auf unser im Übrigen sehr gutes Verhältnis zur Landesregierung wirft."