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Andreas Schell ist seit 15. November 2022 Vorstandsvorsitzender der EnBW. Die Redaktion hat ihn nach seinen ersten Monaten im Unternehmen zu seinen Eindrücken und den Plänen der EnBW interviewt.

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Herr Schell, kurz bevor bekannt wurde, dass Sie den Vorstandsvorsitz der EnBW übernehmen, brach mit dem Krieg in der Ukraine politisch und wirtschaftlich eine neue Zeit an. Was sind die Konsequenzen für die Energiewirtschaft in Deutschland?

Der Russland-Ukraine-Krieg war und ist eine historische Zäsur – für uns alle, aber vor allem für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihre und auch unsere Freiheit in Europa mit ihrem Leben verteidigen.

Der Krieg hat auch die Politik und die Weltwirtschaft nachhaltig geprägt. Die Energiewirtschaft im Speziellen veränderte sich in kürzester Zeit fundamental. Wir haben zwar Abhängigkeiten in ungeahntem Tempo beseitigt. Um diesen Zustand jedoch zu halten und die Kosten im Griff zu behalten, muss die heimische Energiewirtschaft Kapazitäten diversifizieren und erhöhen. Und das so schnell und so nachhaltig wie möglich. Am zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien führt kein Weg vorbei.

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Was heißt das für die EnBW?

Wir haben mit unserer Transformation eine sehr gute Ausgangsposition – und als letztes integriertes Energieunternehmen auch eine besondere Verantwortung. Denn wir können, wir werden ein wichtiger Teil der Lösung sein. Unsere hohe technische Kompetenz und unsere Aufstellung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind Stärken, die wir jetzt voll ausspielen.

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Das heißt, die Krise ist auch eine Chance?

Mit Blick auf die Energiewirtschaft definitiv. Mit dem Russland-Ukraine-Krieg fand die Ära verlässlicher und bezahlbarer Energielieferungen aus Russland ein abruptes Ende. In dieser Situation hatten zunächst Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit höchste Priorität. Beides haben wir für unsere 5,5 Millionen Kunden sichergestellt – mit erweiterten Bezugsquellen und einem gestärkten Engagement im Bereich LNG, aber auch mit großer Flexibilität wie beim Streckbetrieb des Kernkraftwerks Neckarwestheim. Für unsere Kundinnen und Kunden haben wir die Preise bestmöglich abgefedert und sind bei Anpassungen immer unterhalb des Marktdurchschnitts geblieben.

Damit haben wir im Zusammenspiel mit der Politik maßgeblich dazu beigetragen, eine Energiekrise zu verhindern. Aber das vergangene Jahr hat uns auch vor Augen geführt: Um unseren Energiebedarf zu decken und die Klimaziele zu erreichen, muss die Energiewende deutlich beschleunigt werden.

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Wie genau kann diese Beschleunigung aussehen?

Beim Bau der LNG-Terminals hat Deutschland gezeigt, dass Tempo möglich ist. Wir als EnBW tragen unseren Teil zum Momentum bei, indem wir unsere Erträge konsequent in die Energiewende investieren. Unsere umsichtige Planung, nicht eingetretene Risiken und unsere integrierte Aufstellung haben unser Ergebnis im vergangenen Jahr über die Erwartungen hinaus stabilisiert. Das stärkt unsere Investitionskraft und damit auch unsere Ambitionen.

Dabei darf die regulatorische Neuordnung des Energiemarktes dieses Momentum nicht ausbremsen. Europa und Deutschland brauchen ein marktorientiertes Energiemarktdesign. Wir müssen attraktiv sein für Investitionen, nur so schaffen wir den Kraftakt der Dekarbonisierung.

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Wie soll, wie wird die Finanzierung aussehen?

Der weitere Umbau wird die Energiewirtschaft viel Geld kosten. Wir sind deshalb froh, dass wir als Unternehmen die richtige Finanzkraft als Basis haben. Auch Partnerschaften sind eine wichtige Komponente. So treiben wir zum Beispiel gemeinsam mit bp zwei Offshore-Windparks in der Irischen See voran und haben kürzlich den Zuschlag für einen weiteren 2,9 GW starken Windpark vor der Küste Schottlands erhalten.

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Haben Sie schon einen genauen Plan?

Ja. Die EnBW ist bereits eine treibende Kraft der Energiewende. Und das bleiben wir, indem wir unseren Abschied von der Kohle und den Ausbau der Erneuerbaren noch konsequenter vorantreiben. Ganz konkret: Wir planen eine Zukunft ohne Kohle ab 2028. Drei Fuel-Switch-Projekte ebnen dafür den Weg. Damit stellen wir unsere Kohlekraftwerke zeitweise auf klimafreundlicheres Erdgas und perspektivisch auf klimaneutrale Gase und Wasserstoff um. So sichern wir auch künftig durch den Einsatz flexibler Kraftwerke sofort verfügbare Leistung. Die verbleibenden vier Kohlekraftwerke planen wir nicht wie zunächst gedacht bis 2035, sondern bereits 2028 vom Netz zu nehmen beziehungsweise in die Reserve zu überführen. So erhalten wir die Versorgungssicherheit. Unseren Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2035 lassen wir durch die Science Based Target initiative (SBTi) wissenschaftlich zertifizieren. Damit stellen wir sicher, dass wir über alle Scopes (1 bis 3) hinweg mit konkreten und verlässlichen Reduktionszielen einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles des Pariser Klimaabkommens leisten. Parallel dazu fahren wir unsere Investitionen in Erneuerbare hoch. 2022 haben wir bereits Investitionsentscheidungen für wichtige Großprojekte getroffen. Der Offshore-Windpark He Dreiht in der Nordsee – europaweit eines der größten Projekte der Energiewende – nimmt 2025 den Betrieb auf. Unsere Projektpipeline im Bereich Wind offshore haben wir insgesamt auf rund 6 GW erweitert. Das neue Solarcluster in Brandenburg spart mit einer Leistung von 500 MW jährlich rund 325.000 t CO₂-Emissionen ein. Im Bereich Elektromobilität haben wir unsere Position als größter deutscher E-Mobilitätsanbieter mit dem Ausbau des EnBW HyperNetzes auf über 400.000 Ladepunkte in 17 europäischen Ländern deutlich gestärkt. Und es geht weiter. Insgesamt werden wir von 2021 bis 2025 14 Mrd. € über alle drei Segmente hinweg investieren.

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Ein starker Plan. Sie sind seit Mitte November 2022 im Amt, welche Eindrücke haben Sie bisher im Unternehmen gewonnen?

Ich habe bei Besuchen zahlreicher EnBW-Standorte viele Eindrücke gesammelt. Durch die zahlreichen persönlichen Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen bin ich sehr schnell im Unternehmen angekommen – und jeden Tag aufs Neue beeindruckt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dem Unternehmen eng verbunden und wir haben eine sehr hohe technologische Kompetenz in vielen Bereichen, die für die Energiewende zentral ist. Die EnBW ist klar auf dem richtigen Weg.

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Wo ist die EnBW stark, wo besteht Handlungsbedarf?

Unsere Erzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien ist mit einem Anteil von 41,7 % schon gut, die Pipeline an bestehenden und neuen Projekten sehr gut. Wie wir den Ausbau weiter beschleunigen, habe ich bereits skizziert. Hierbei werden wir auch die Möglichkeiten der Digitalisierung stärker nutzen. Wir müssen zudem die Komplexität im Unternehmen weiter verringern und damit die Resilienz der EnBW weiter stärken. Unser geplanter vorgezogener Abschied von der Kohle 2028 ist ein wichtiger Schritt, bei unserer Transformation mehr Tempo aufzunehmen. Wir müssen aber in einigen Bereichen noch besser werden. Wir denken deshalb jetzt über die Strategie 2025 hinaus und arbeiten derzeit an unserer Strategie 2030. Klar ist auch: Das Fundament, um alle vor uns liegenden Herausforderungen meistern zu können, ist ein starkes Team. Und das haben wir. Mein großer Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen für ihren Einsatz im vergangenen Jahr, das für viele nicht einfach war. Ich freue mich auf den gemeinsamen Weg, der vor uns liegt.

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Herr Schell, vielen Dank für das Gespräch.