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Gütesiegel, Werbeversprechen und mangelhafte Transparenz – Kunden und Konsumenten haben es immer noch schwer, unter den vielen Produkten die wirklich nachhaltigen zu erkennen. Und bei Unternehmen ist es nicht anders. Wann verdient eine wirtschaftliche Aktivität das Etikett „nachhaltig“? Diese Frage ist für alle Anleger interessant, die ihr Geld ökologisch und sozial verträglich investieren wollen – und davon gibt es immer mehr. Das zunehmende Interesse an grünen Investments trifft auf das Ziel der EU, entschlossener gegen den Klimawandel vorzugehen.

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Transparenz statt Greenwashing

Europa will bis 2050 klimaneutral werden. Einen Hebel für eine nachhaltigere Wirtschaft sieht die EU darin, die Kapitalflüsse neu auszurichten. Gelder sollen in Bereiche gelenkt werden, die den Klima- und Umweltschutz messbar voranbringen. Damit werden beispielsweise Investments in erneuerbare Energien gefördert.

Der Finanzbedarf, um die Klimaziele zu erreichen, ist enorm. Neben öffentlichen Mitteln ist auch Kapital privater Investoren nötig. In ihrem Aktionsplan 2018 beziffert die EU den Investitionsrückstand auf jährlich 180 bis 270 Milliarden Euro bis 2030.

Damit Investoren die langfristige Wertschöpfung von Unternehmen und das Management von Nachhaltigkeits­risiken angemessen bewerten können, brauchen sie Transparenz darüber, was als nachhaltig gilt.

Daher hat die EU im Juni 2020 ein einheitliches Klassifikationssystem, die EU-Taxonomie, beschlossen. Mit ihr werden erstmals europaweit verbindliche Regeln darüber geschaffen, welche Tätigkeiten und Branchen künftig als ökologisch nachhaltig gelten und welche nicht. Damit verbunden ist die Berücksichtigung sozialer und menschenrechtlicher Mindestkriterien.

Zudem kommen auf Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer neue Informations- und Berichtspflichten ab 2022 zu. Auf dieser Basis können Investoren Unternehmen über verschiedene Branchen hinweg vergleichen, bewerten und eine fundierte Anlageentscheidung treffen. Unternehmen können sich nicht „grüner“ darstellen, als sie tatsächlich sind.

EU-Taxonomie

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Bei der EU-Taxonomie stehen zunächst folgende sechs Umweltschutzziele im Fokus:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Geschäftsaktivitäten sind nach der Definition der EU-Taxonomie „ökologisch nachhaltig“, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele leisten. Aktuell sind für die ersten beiden – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – detaillierte Kriterien definiert. Eine wichtige weitere Regel lautet: „Do no significant harm“. Das bedeutet: Bei der Verfolgung eines Klimaziels dürfen die fünf weiteren Ziele nicht erheblich beeinträchtigt oder die Mindestvorschriften für Arbeitsschutz und Menschenrechte verletzt werden.

Perspektivisch wird die Taxonomie über die Umweltziele hinaus auch soziale Aspekte und gute Unternehmens­führung abdecken.

So setzt die EnBW das neue Regelwerk um

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Regina Warth ist seit Juli 2019 Nachhaltigkeitsmanagerin bei der EnBW, zuvor war sie als Analystin in einer Nachhaltigkeitsagentur tätig.
Was verlangt die EU-Taxonomie konkret von Unternehmen?

Regina Warth: Die EU-Taxonomie ändert die Bericht­erstattung für viele Unternehmen. Kapitalmarkt­orientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter sind ab dem Geschäftsjahr 2021 verpflichtet, den Grad der Nachhaltigkeit im Geschäftsbericht auszuweisen. Konkret: Sie müssen zeigen, wie hoch der prozentuale Anteil ihrer ökologisch nachhaltigen Aktivitäten am Umsatz, an den Investitionen und an den Betriebskosten ist.

Wie setzt die EnBW das neue EU-Regelwerk um?

Transparenz in punkto Nachhaltigkeit zu schaffen ist nichts grundlegend Neues für die EnBW. Neu sind allerdings der Umfang und die Detailtiefe. Wir haben schon seit vielen Jahren eine Nachhaltigkeits­bericht­erstattung, die bereits 2014 in den Integrierten Geschäftsbericht überführt wurde. Dieser betrachtet nicht nur wirtschaftliche, sondern auch Nachhaltigkeitskennzahlen. Was die Taxonomie­bericht­erstattung von der bisherigen Nachhaltigkeits­bericht­erstattung unterscheidet, ist unter anderem, dass nun erstmalig Kennzahlen geschaffen wurden, die finanzielle und nichtfinanzielle Aspekte miteinander verknüpfen.

Wir müssen uns im Unternehmen intensiv mit der EU-Taxonomie auseinandersetzen, dazu müssen verschiedene Abteilungen eng zusammenarbeiten. Experten für Nachhaltigkeit und die für die Berichtssysteme frühzeitig einzubinden, ist sehr wichtig.

Wie sehr ist die EnBW „taxonomiekonform“?

Wir haben uns schon ein Jahr vor der offiziellen Berichtspflicht dazu entschieden, die Taxonomie teilweise anzuwenden. Im aktuellen Bericht, der das Geschäftsjahr 2020 abdeckt, haben wir für einen Teil der Aktivitäten in zwei unserer Geschäftsfelder die erforderlichen Kennzahlen erhoben, nämlich für die Erneuerbaren Energien und die Stromnetze. Hier können wir den ökologisch nachhaltig erwirtschafteten Anteil an wichtigen unternehmerischen Leistungskennzahlen ausweisen.

Und wie sieht das Ergebnis aus?

Wir haben das Ergebnis anhand der verpflichtenden Indikatoren dargestellt, das sind: Umsatzerlöse, Investitionen (Capex) und Betriebskosten (Opex). Zusätzlich bilden wir im Bericht das Adjusted EBITDA ab, das ist das operative Konzernergebnis vor Steuern und Abgaben.

Was sagen die Indikatoren aus?

Taxonomie-konforme Umsatzerlöse geben einen Hinweis darauf, wie „ökologisch nachhaltig“ ein Unternehmen heute ist, der Taxonomie-konforme Capex darauf, wie sich ein Unternehmen auf eine dekarbonisierte Wirtschaft 2050 einstellt. Für die Bewertung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens könnte damit insbesondere eine Capex-Betrachtung im Vordergrund stehen. Für die zwei Segmente, die wir betrachtet haben, können wir sagen, dass wir in 2020 18 Prozent unserer Umsätze und 60 Prozent unserer Investitionen ökologisch nachhaltig sind. Dies unterstreicht die Transformation unseres Unternehmens und unser Ziel, zunehmend in nachhaltige Geschäftsaktivitäten zu investieren.

Wie geht es weiter?

Im Jahr 2021 werden wir bei der EnBW alle Geschäftsaktivitäten nach den Vorgaben der EU-Taxonomie bewerten. Darüber hinaus betrachten wir mittlerweile unsere großen geplanten Investitionsentscheidungen ebenfalls unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Dies beinhaltet neben den Taxonomie-Anforderungen auch ökologische und soziale Themen weiterer wichtiger internationaler Standards und Initiativen. Durch die Vorgaben der EU werden wir nun dazu gezwungen, das sehr genau zu dokumentieren. Sollten unsere Investitionen nicht den Kriterien für nachhaltige Investments entsprechen, können wir sie natürlich auch nicht als solche ausweisen. Das heißt wiederum, dass Investoren genau wissen, wie nachhaltig sie ihr Geld bei uns anlegen. Perspektivisch wird der Druck für alle Unternehmen steigen, weil die Anforderungen an Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit, wie die der EU-Taxonomie, strenger werden, um die globalen Nachhaltigkeitsherausforderungen und den EU Green Deal, also die Null-Emission bis 2050, erreichen zu können.

Welche Chancen tun sich Ihrer Meinung nach für Unternehmen durch die Taxonomie auf?

Wer nach den Regeln der Taxonomie agiert, wird möglicherweise neben Finanzierungsvorteilen auch bei den Kunden Pluspunkte sammeln.

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