Apple ist für bahnbrechende Innovationen in der Technologiebranche bekannt, doch auch bei einem solchen Giganten schafft es nicht jedes Produkt auf den Markt. Lange wurde spekuliert, ob bereits 2025 erste Elektrofahrzeuge von Apple auf der Straße sein werden, doch nach zehn Jahren Entwicklung wurde das Apple Car, auch „Project Titan“ genannt, im Februar 2024 eingestellt.
Apples Einstieg in die Automobilbranche
Schon 2014 wurde bekannt, dass Apple an einem eigenen Elektroauto arbeitet. Der Plan: Ein eigenes Elektrofahrzeug mit autonomer Fahrtechnologie – das Apple Car – auf den Markt zu bringen. Am sogenannten „Project Titan“ waren bis zu 2.000 Apple-Angestellte beteiligt, die an einem geheimen Standort in der Nähe von Apples Zentrale in Cupertino tätig waren. Es gab sogar Verhandlungen mit BMW, die ein Modell auf Basis des City-Flitzers i3 liefern sollten. Apple-Chef Tim Cook reiste persönlich nach München. Doch die Gespräche scheiterten, BMW wollte wohl nicht zum Zulieferer degradiert werden.
Es wurde ruhig um das Projekt. Manche glaubten gar, dass Apple die Auto-Entwicklung eingestellt habe. Daraufhin folgten Meilensteine, aber auch einige Rückschläge: Berichte über den Kauf der Domain apple.cars ließen vermuten, dass Apple tatsächlich ernsthafte Absichten verfolgte, jedoch ist es auch üblich, dass Unternehmen sich solche Domains präventiv sichern. Gleichzeitig drängte sich zu dieser Zeit aber bereits ein erster Verdacht auf, dass es Probleme geben könnte, denn der als Projektleiter eingestellte Steve Zadesky verließ bereits 2016 das Team.
Doch im Juni 2017 gab Cook ein bemerkenswertes Interview, in dem er sich zum aktuellen Stand von Apples Tätigkeiten im Automobilbereich äußerte. Bemerkenswert, weil Apple sich beim Thema Produktentwicklungen ansonsten sehr bedeckt hält.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg bestätigte Cook, dass sich Apple auf die Software-Seite und hierbei vor allem auf das autonome Fahren konzentriere: „We’re focusing on autonomous systems. It’s a core technology that we view as very important. We sort of see it as the mother of all AI projects. It’s probably one of the most difficult AI projects actually to work on.“
Insider*innen überraschte diese Äußerung nicht. Bereits Anfang 2017 war bekannt, dass Apple selbstfahrende Autos auf öffentlichen Straßen in Kalifornien testen durfte. Dazu rüstete Apple eine Reihe von Lexus-Hybrid-SUVs zunächst mit zahlreichen Kameras und Sensoren aus. Ein paar Monate später wurden schon erste Fahrzeuge mit sogenannten LIDAR-Systemen gesichtet. Bei handelt es sich um eine mit dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Statt Radiowellen wie beim Radar kommen beim Lidar allerdings Laserstrahlen zum Einsatz.
Seit 2014 gibt es Gerüchte um das Apple Car. Doch bislang gab es noch keinen Prototypen zu sehen.
Im Jahr 2018 wurden daraufhin Berichte über eine Zusammenarbeit mit Volkswagen bekannt. Ziel des gemeinsamen Projekts: Der Fokus auf selbstfahrende Shuttlebusse für den internen Gebrauch.
Doch Anfang 2019 schien das Aus für das Apple Car gekommen zu sein. Denn mehrere Hundert Angestellte wurden vom Project Titan abgezogen und anderen Entwicklerteams zugeordnet. Apple kommentierte die Veränderungen gewohnt nebulös, betonte aber, dass die Entwicklung von Systemen fürs autonome Fahren immer noch ein „riesengroßes Potenzial“ biete und das verbleibende Team an „mehreren wichtigen Aufgaben“ arbeite.
Es wurde gemunkelt, dass Apple an einem komplett autonomen, selbstfahrenden Fahrzeug arbeitet, bei dem kein Eingriff des Nutzers erforderlich ist, um fahren zu können. Gerüchte deuteten außerdem darauf hin, dass Apple ein Auto ohne Lenkrad und ohne Pedale entwickeln wollte. Apples KI- und Machine-Learning-Chef John Giannandrea leitete das Apple Car-Projekt Kevin Lynch, der für seine Arbeit an der Apple Watch bekannt ist, ist war zu dieser Zeit ebenfalls dem Apple Car-Team beigetreten und sollte weitgehend für Apples Vorstoß in Richtung eines selbstfahrenden Autos verantwortlich sein.
Diese Vorgehensweise wurde unterstützt, indem Apple im selben Jahr das Startup Drive.ai kaufte, das sich auf autonomes fahren spezialisierte. Der Kauf wurde allgemein als Erweiterung von Apples Expertise in dem Bereich angesehen.
Geplant war einen leistungsstarken, von Apple entworfenen, Chip im Apple Car zu integrieren. Das wäre damit die fortschrittlichste Komponente, die Apple bisher entwickelt hätte. Der Chip sollte aus neuronalen Prozessoren bestehen, die die unglaubliche KI-Last bewältigen können und die für autonome Fahrzeuge erforderlich sind. Er sollte von TSMC hergestellt werden, dem Unternehmen, das auch die Chips für das iPhone, das iPad und den Mac herstellt.
Ziel von Apple war es, das autonome Auto bis 2025 auf den Markt zu bringen.
Suche nach einem Partner aus dem Automobilbau
Anfang 2020 versuchte Apple daraufhin mit dem E-Auto-Hersteller Canoo in Verhandlungen über eine Beteiligung zu treten. Im Jahr zuvor hatte das Start-up eine Plattform für Elektroautos vorgestellt. Neben einem Stromer-Van präsentierten die Amerikaner einen E-Transporter, der so visionär aussah wie der Deliver-E von Konkurrent Bollinger. Die Besonderheit: Eine skalierbare Plattform. Das bedeutet, dass sich ganz unterschiedliche E-Autos auf dieser Plattform errichten lassen konnten – ein Plus für die Designer*innen.
Zudem unterstützte die Canoo-Plattform die „Steer by Wire“-Technologie. Dabei besteht keine mechanische Verbindung mehr zwischen Lenkrad und Rädern, sondern die Lenkung erfolgt über ein elektronisches Steuergerät. In der Luftfahrt werden solche Systeme schon lange verwendet („Fly by Wire“), bei Autos werden sie derzeit fast ausschließlich bei Sonderfahrzeugen eingesetzt. Dazu gehören zum Beispiel Schwerlast-Fahrzeuge. Der Vorteil der Technologie: Auch sie bietet mehr Freiheiten in der Entwicklung.
Apple verhandelte mit dem mittlerweile gescheiterten E-Auto-Start-up Canoo, das unter anderem einen spacigen E-Transporter bauen wollte. © Canoo
Letztlich scheiterten die Verhandlungen mit Canoo. Doch anscheinend öffneten sie eine andere Tür – die zu Hyundai. Der südkoreanische Autobauer plante zur gleichen Zeit mit der neuen Submarke Ioniq die große E-Auto-Offensive. Und offenbar wollte Hyundai ebenfalls die Canoo-Plattform für den Bau neuer Modelle nutzen.
Kurz darauf wurden Spekulationen über Gespräche zwischen Hyundai und Apple bekannt, in denen es um eine mögliche Zusammenarbeit bei der Produktion von E-Autos ging. Medienberichte diskutierten eine solche Partnerschaft zur Entwicklung des Apple Cars.
Kurz darauf dementierte Hyundai aber die Medienberichte und verwies darauf, dass man lediglich eine „Anfrage für eine potenzielle Kooperation“ erhalten habe. Und Apple verhandle noch mit weiteren Autobauern wie BMW und Daimler. Apples starkes Bedürfnis nach Kontrolle über das Projekt sorgte allerdings dafür, dass aus den Gesprächen keine Partnerschaften hervorgingen.
Apple Car: Innovatives Design und selbstfahrende Funktionen
Apple wollte bei seinem Auto-Projekt All-In gehen und ein vollständig autonomes Fahrzeug entwickeln, das keine Interaktion mit der fahrenden Person erfordert. Damit hat sich Apple ein Ziel gesetzt, das andere Autohersteller noch nicht erreicht haben.
Das Unternehmen verfolgte zwei Fahrzeugpfade: Einen mit begrenzten Selbstfahrfähigkeiten und einen zweiten mit vollständiger Selbstfahrfunktionalität. Der zweite Weg sollte unter der Leitung von Kevin Lynch erfolgen. Apple wollte ein Fahrzeug entwickeln, das weder Lenkrad noch Pedale hat und dessen Innenraum auf das freihändige Fahren ausgerichtet ist.
Laut Bloomberg hatte Apple ein Design diskutiert, das dem Lifestyle Vehicle von Canoo ähnelte.
Fahrer*innen sollten an den Seiten des Fahrzeugs und nicht auf den klassischen Vorder- und Rücksitzen sitzen. Allerdings hätte Apple das Lenkrad nicht entfernen können, da es in Notfallsituationen nützlich sein könnte. Ohne Lenkrad hätten auch die Fußpedale zur Steuerung von Gas und Bremse wegfallen müssen.
Des Weiteren hatte Apple einen großen iPad-ähnlichen Touchscreen in der Mitte des Fahrzeugs geplant. Nutzer*innen sollten so mit dem zentralen Panel interagieren können und über dieses in die aktuellen Geräte und Dienste von Apple integriert werden.
Über die Kosten des Fahrzeugs gab es zu keiner Zeit konkrete Angaben. Laut „Bloomberg“-Berichten wurde Ende 2022 allerdings bekannt, dass der Launch des Apple Car auf 2026 verschoben sei, es kostengünstiger als ein Tesla werde und der Preis unter 100.000 US-Dollar liegen solle.
Das Ende von Project Titan
Im Februar 2024 kam das endgültige Aus für das Apples Auto. Das Project Titan wurde offiziell eingestellt.
Nach zahlreichen Verzögerungen, gescheiterten Partnerschaften und dem Ausstieg wichtiger Beteiligter kommt Apples eigenes Elektroauto nun doch nicht auf den Markt. Gründe für das Aus gab es viele:
- Hohe Kosten: die geschätzten Investitionen und Produktionskosten hätten die Gewinnspanne erheblich reduziert.
- Technische Herausforderungen: Autonome Fahrtechnologie ist weiterhin ein komplexes Thema mit zahlreichen ungelösten Herausforderungen und Problemen.
- Unklare Marktchancen: Die Automobilbranche, insbesondere die E-Auto-Branche, befindet sich in einer kritischen Lage, vor allem im Hinblick auf autonome Fahrzeuge.
Die Folge dieser Niederlage ist eine Neuausrichtung von Apple mit einem verstärkten Fokus auf Künstliche Intelligenz.
Ein Fokus von Apple sollte auf der Entwicklung von Software-Systemen liegen, die autonomes Fahren ermöglichen.
H2: Fazit: Lehrreiche Erkenntnisse aus einem ambitionierten Projekt
Selbst große Unternehmen wie Apple, mit ausreichend Ressourcen und technologischem Wissen, können an den Herausforderungen einer neuen Branche scheitern. Das Project Titan ist das beste Beispiel und zeigt zusätzlich wie schwierig es für ein Unternehmen sein kann, wenn es sich in einer Branche versucht, die vom eigentlichen Kergeschäft weit entfernt ist.
Dazu gesellen sich die branchenspezifische Herausforderungen, denn die Automobilindustrie stellt besondere Anforderungen an Lieferketten, Partnerschaften und wirtschaftliche Effizienz.
Dennoch hat Apple zahlreiche Erkenntnisse aus dem Projekt gewinnen können. Möglicherweise meldet der Technologieriese sich mit neuen Ideen und KI-gestützen Innovationen in der Automobilbranche zurück.
Ganz aus der Branche ist Apple aber nicht verschwunden, denn dank des Infotainment-Systems Carplay hat Apple weiterhin einen Fuß in der Tür.
Ein Patent, das im Zuge der Entwicklung des Apple Cars angemeldet wurde, ist der sogenannte Apple Car Key. Dieser sollte als Autoschlüssel dienen, da das geplante E-Auto, ähnlich wie bei Tesla, keine Türgriffe bekommen sollte.
Auch wenn aus dem Apple Car und seinem futuritischen Design nichts geworden ist, wurde so dennoch eine weitere Brücke zur Automobilindustrie gebaut, denn es ist möglich seinen Autoschlüssel in der Wallet-App auf dem iPhone oder seiner Apple Watch zu hinterlegen. So lässt sich das Auto auch ganz ohne physischen Schlüssel mit dem iPhone aufschließen, abschließen und sogar starten (welche Automodelle kompatibel sind, lässt sich beim Autohändler oder -hersteller erfragen).
Was wie eine Kleinigkeit klingt, könnte darauf hindeuten, dass die Automobilbranche in Zukunft doch noch etwas von Apple hören wird