Ist das Stromnetz der E-Autos gewachsen?

Die Anzahl der E-Autos steigt rapide. Doch hält das Stromnetz dem Hochlauf der Elektromobilität stand? Können die Netze den Ladebedarf verkraften oder drohen Blackouts? Und wie hoch ist überhaupt die Belastung der Netzinfrastruktur beim Laden von E-Autos?

Wir wollen jedoch nicht nur das heutige Stromnetz auf den Prüfstand stellen, sondern auch einen Blick in die Zukunft werfen: Dafür haben wir bei dem Netzbetreiber Netze BW angeklopft und nachgefragt, wie sie sich auf den Ansturm der E-Mobilität vorbereiten.


Das erwartet Sie hier


Momentan hält das Stromnetz dem E-Auto-Boom stand

Der Boom der Elektromobilität hält weiter an. Mehr als 194.000 neue Stromer und über 200.000 Plug-in-Hybride meldete das Kraftfahrt-Bundesamt für das Jahr 2020. Und allein im ersten Halbjahr 2021 kamen rund 149.000 batteriebetriebe Stromer und etwa 164.000 Plug-in-Hybride dazu. Besonders beliebt bei Käufer*innen waren etwa das Model 3 von Tesla, der VW ID.3 oder der Audi E-Tron. Der ungebrochene Boom der E-Autos stellt das Stromnetz vor große Herausforderungen.

Stromnetz

Ist das Stromnetz dem E-Auto-Boom gewachsen?

Netzbetreiber wie die Netze BW kümmern sich um die technische Infrastruktur, damit der Strom überregional und kommunal verteilt wird, bis er aus der heimischen Steckdose fließt. Aus Sicht der Netzbetreiber ist die Anzahl an E-Autos, die gegenwärtig über private Wallboxen oder öffentliche Ladestationen „aufgetankt“ werden, bereits heute eine Herausforderung. Und sie stehen vor der Aufgabe, perspektivisch den gesamten Autobestand der Bundesrepublik mit Strom versorgen zu müssen. Das wären 40 Millionen und mehr batteriebetriebene Autos.

Das heutige Stromnetz ist technisch dafür noch nicht ausgelegt“, sagt Martin Konermann. Als Technischer Geschäftsführer der Netze BW ist Konermann jemand, der sich mit der Zukunft bereits heute auskennen muss. Die Netze BW ist ein Unternehmen der EnBW und als größter Verteilnetzbetreiber in Baden-Württemberg (mit rund 100.000 km Stromnetz) aus eigenem Interesse schon seit mehreren Jahren am Thema dran.

Eine hohe Stromleistung, die gleichzeitig zur Verfügung stehen muss

Ein Grund, warum der Boom der E-Autos die Stromnetze an die Belastung bringen könnte, liegt an einem einfachen technischen Problem: Das Laden eines E-Autos bedeutet im Vergleich zu anderen „Elektrogeräten“ eine hohe Belastung der Netzinfrastruktur.

Private Wallboxen verfügen über eine Ladeleistung von 11 bis 22 kW. Auf den ersten Blick nicht viel, aber erheblich mehr als das, was andere Geräte benötigen. „Heute ist der größte Verbraucher in einem typischen Haushalt entweder der Herd mit Backofen oder aber eine elektrische Sauna. Beide haben ungefähr eine Leistung von 8 kW, sind allerdings nur für kurze Zeiträume in Betrieb “, erklärt Eric Junge, Stellvertreter Leiter des Projekts Netzintegration Elektromobilität bei der Netze BW. Wallboxen besitzen ein ganz anderes Profil: Sie haben nicht nur eine höhere Ladeleistung, sondern sind auch über mehrere Stunden am Stück in Betrieb.

Ein zweiter Faktor, den die Netzbetreiber im Blick haben müssen, ist die Gleichzeitigkeit. „Wenn ein einzelnes Fahrzeug lädt, dann verträgt das Stromnetz diese Leistung locker“, so Junge. Laden dagegen viele Fahrzeuge gleichzeitig im selben Netzabschnitt, kann dieser sehr stark belastet werden und kommt vielleicht an seine Grenze. Steigt der Leistungsbedarf über die Belastungsgrenze des Netzabschnitts, schaltet sich der Abschnitt vorsorglich ab, um Schäden zu vermeiden – es wird in der gesamten Straße dunkel.

Frau lädt E-Auto in der Stadt am Stromnetz

In der Stadt ist das Laden des E-Autos kein Problem.

Damit der Boom der E-Autos auch vom Stromnetz bewältigt werden kann, will die Netze BW früh Hotspots identifizieren, bei denen akute Überlastungen drohen. Dazu soll vornehmlich intelligente Sensorik installiert werden, um die Auslastung des Stromnetzes zu überwachen und im Bedarfsfall gezielt reagieren zu können. „Umso wichtiger ist auch der Einsatz eines netzdienlichen Lademanagements “, betont Markus Wunsch , Leiter Netzintegration Elektromobilität bei Netze BW. Das Lademanagement wird eingesetzt, um Lastspitzen zu glätten, indem die Ladeleistung des einzelnen Fahrzeugs zeitweise reduziert wird. Dadurch verlängert sich zwar die Ladedauer. Doch geschickt eingesetzt, sollten Kunden und Kundinnen die Verzögerung nicht als störend empfinden . Das haben auch die Teilnehmer*innen an Feldtests der Netze BW, den so genannten NETZlaboren, bestätigt.

Wir laden zuhause

Mit 100% Ökostrom. Und für noch mehr Komfort mit einer Wallbox.

Jetzt informieren

Langfristiger Netzausbau sorgt für Versorgungssicherheit

Die NETZlabore sind ein zentrales Element, um das Stromnetz der Netze BW fit für die Zukunft zu machen. „Im Prinzip sind das Feldversuche, in denen wir unter realen Bedingungen mit unseren Kunden, den E-Pionieren, deren Ladeverhalten kennenlernen und vor allem dessen Auswirkungen auf das Stromnetz untersuchen“, erläutert Wunsch. Die teilnehmenden Kund*innen erhalten sowohl E-Autos als auch die passende Ladeinfrastruktur gestellt. Drei Projekte wurden erfolgreich abgeschlossen. Aktuell läuft das NETZlabor Intelligentes Heimladen am Standort Ringsheim. Die Standorte Wangen und Künzelsau folgen im September. Weitere Netzlabore stehen bereits in der Pipeline.

Ehepaar vor ihrem E-Auto. Sie haben am Test der Netzlabore teilgenommen.

In Ostfildern testete die Netze BW im Rahmen eines Netzlabors, wie die E-Mobilität das Stromnetz beeinflusst.

Über 300 Millionen Euro investiert die Netze BW jedes Jahr in den Neu- und Ausbau des Stromnetzes. Doch es gibt auch Fallstricke, weiß Hendrik Adolphi, Leiter Technisches Anlagemanagement bei der Netze BW, und damit zuständig für die langfristige Netzstrategie. Als Beispiel führt der Fachmann die Errichtung großer Ladeparks entlang einer Autobahn an. Damit möglichst viele E-Autos möglichst schnell laden können, benötigen Schnellladeparks bis zu 10 Megawatt Strom oder mehr. Daher werden diese Ladeparks ggf. sogar an das Hochspannungsnetz von 110 kV angeschlossen werden müssen. Bevor das passieren kann, müssen lange Genehmigungsverfahren durchlaufen werden. Manchmal ist auch die Grundstücksituation vor Ort kompliziert. „Dieser Prozess kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen“, hebt Adolphi hervor. Hier wäre mehr Schnelligkeit wünschenswert.

bulk

Willkommen im EnBW HyperNetz!

Ein flächendeckendes und dichtes Netz an (Schnell-)Ladestationen ist wichtige Voraussetzung, damit sich die E-Mobilität weiter entwickeln kann. Entsprechend investiert die EnBW kontinuierlich in diesen Bereich.

Das EnBW HyperNetz ist das größte Ladenetz in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus können Sie auch in Frankreich, Italien, Niederlanden, Belgien, Liechtenstein und Luxemburg laden. EnBW mobility + bietet Ihnen so mehr als 600.000 Ladepunkten in Europa. Mit jetzt schon mehr als 1.000 EnBW eigenen Schnellladestandorten können Sie auf ein flächendeckendes Schnellladenetz zurückgreifen. Damit ist die EnBW der größte Betreiber eines Schnellladenetzes in der Bundesrepublik. Und unser Netz wächst weiter: Bis 2030 will die EnBW rund 30.000 Schnellladepunkte betreiben.

Daher haben wir einen langfristigen Netzausbauplan entwickelt“, so Adolphi. Dieser regelt, in welchen Regionen bestehende Hochspannungsnetze verstärkt und wo ganz neu gebaut werden muss. Zudem wird gerade beim Neubau von Netzen darauf geachtet, dass sie auf Zukunftsfähigkeit ausgelegt sind. „Bei den Kabeln verwenden wir größere Querschnitte. Die Trafo-Stationen haben mehr Platz, sodass wir bei Bedarf einen größeren Transformator einbauen können“, so Adolphi. „Wenn wir einmal ranmüssen, dann berücksichtigen wir alle Herausforderungen, die wir in einem Stromnetz sehen. Das kann zum Beispiel die Wärmewende sein oder weitere PV-Einspeisungen.“ So ist auch sichergestellt, dass Straßen nicht mehrere Male kurz hintereinander aufgerissen werden müssen.

Fazit: Planbarkeit des Stromnetzes ist die größte Herausforderung

Mit Blick auf den Boom an E-Autos ist für Netze BW die Planbarkeit des Netzausbaus die größte Herausforderung. „Heute kann niemand mit absoluter Gewissheit sagen, welche Kunden sich in Zukunft eine Ladestation daheim installieren und wie sie dort laden werden“, sagt Eric Junge. Projektleiter Wunsch unterstreicht diese Herausforderung: „Im privaten Bereich geht es um einen unplanbaren, teils intransparenten Hochlauf der Elektromobilität.“ Die Leistungsbereitstellung sei gar nicht richtig vorausschauend zu kalkulieren, wenn es an den entscheidenden Informationen mangele .

Daher versucht die Netze BW, anhand von soziodemographischen Daten, den Ergebnissen der Netzlabore, im Austausch mit Politik und Wirtschaft, aber auch durch Kooperationen mit anderen Netzbetreibern so viel wie möglich über Potenziale und Risiken der Stromversorgung von E-Autos in Erfahrung zu bringen. Nicht zuletzt sollen sich die lokalen Bedürfnisse so antizipieren lassen, dass das Stromnetz dem Boom der E-Autos jederzeit standhalten kann. „Nur mit einem starken Stromnetz gelingt auch die Mobilitätswende“, ist Junge überzeugt.

Weitere Informationen und spannende Vorträge mit den vorgestellten Personen finden Sie auf eNetz, der digitalen Plattform zur Netzintegration Elektromobilität.

Aktuelle Infos, Tipps & Tricks

Bleiben Sie beim Thema E-Mobilität top informiert. Mit den EnBW Hypernews.