Natrium-Ionen-Akkus bieten gegenüber herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien bemerkenswerte Vorteile. Die Ausgangsmaterialien sind reichlich vorhanden und kostengünstig abzubauen, und die Herstellung ist weniger abhängig von seltenen und konfliktträchtigen Rohstoffen. Zudem könnten die Akkus aufgrund ihrer Zellchemie die Brandgefahr weiter senken. Doch es gibt einen entscheidenden Nachteil.
Funktionsweise und Vorteile von Natrium-Ionen-Akkus
Natrium-Ionen-Batterien ähneln vom Aufbau her einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie. Allerdings wird Natrium anstelle von Lithium verwendet. Die Eigenschaften der beiden Stoffe sind ähnlich.
Auch in Bezug auf die Funktionsweise ähneln sie sich: Es gibt zwei Elektroden, ein zusätzlicher Elektrolyt sorgt dafür, dass die Ionen sich bewegen können. Beim Ladevorgang wandern dann die Natrium-Ionen von der Kathode hin zur Anode. Dort werden sie eingelagert. Während des Entladens wandern die Ionen dann wieder zurück zur Kathode, wo sie elektrische Energie freisetzen.
Ein großer Vorteil dieser Technologie ist, dass das benötigte Material in Form von Natriumchlorid (Kochsalz) oder Natriumcarbonat (Soda) nahezu unbegrenzt und kostengünstig verfügbar ist. Das macht Natrium zu einem leicht zugänglichen und potenziell skalierbaren Ausgangsrohstoff für Energiespeichersysteme aller Art.
Die neue Akkutechnologie bietet zudem nicht nur eine höhere Lebensdauer, sondern auch die Möglichkeit, brandunempfindlichere Batterien zu entwickeln. Die verwendeten Materialien sind nämlich nicht so reaktionsfreudig wie Lithium und arbeiten bei höheren Temperaturen weiter stabil: Das Risiko eines thermischen Durchgehens (einer Art Kettenreaktion, die zu Feuer oder Explosionen führen kann) ist geringer, dementsprechend sinkt auch die Brandgefahr von Elektroautos weiter.
Natrium- und Lithium-Ionen-Akkus im Vergleich
Kosten
Natrium-Ionen-Akkus sind, was die Produktion angeht, kostengünstiger als die Lithium-Variante. Das liegt nicht nur daran, dass die Rohstoffe günstiger sind. Es bietet sich auch die Möglichkeit, Aluminium statt Kupfer zu verwenden. Das kann die Kosten weiter senken.
Das Ausgangsmaterial ist weltweit preiswert verfügbar, was zu einem geschätzten Kostenvorteil von 30 bis 40 Prozent gegenüber Lithium-Ionen-Produkten führt. Trotz der geringeren Energiedichte könnten Natrium-Ionen-Batterien dadurch zu einer attraktiven Lösung für urbane Mobilitätslösungen werden.
Ob die Natrium-Ionen-Technologie die Grundlage für möglichst viele günstige Elektroautos schafft, wird jedoch stark von den Preisen und der Lieferkette für Lithium-Ionen-Batteriematerialien abhängen.
Energiedichte
Ein wesentlicher Nachteil der Natrium-Ionen-Technologie ist ihre im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien geringere Speicherkapazität. Derzeit liegt die Energiedichte von Natrium-Ionen-Batterien zwischen 140 und 160 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg), während die besten Lithium-Ionen-Akkus bis zu 260 Wh/kg erreichen.
Das bedeutet, dass Natrium-Ionen-Batterien weniger Energie speichern können als vergleichbare Lithium-Ionen-Akkus. Oder sie müssen größer und schwerer sein, um dieselbe Kapazität zu erreichen. Gerade wenn Platz und Gewicht also eine entscheidende Rolle spielen – wie bei Elektrofahrzeugen mit großer Reichweite – kann die geringe Energiedichte von Natrium-Ionen-Akkus problematisch sein.
Aus diesem Grund liegt der Fokus in der Forschung momentan vor allem darauf, die Energiedichte zu erhöhen.
Lebensdauer
Generell haben Natrium-Ionen-Akkus eine potenziell höhere Zyklenfestigkeit. Damit ist die Fähigkeit eines Akkumulators gemeint, Ladezyklen ohne signifikanten Verlust von Ladeleistung oder -kapazität zu durchlaufen. Einige Prototypen sind schon auf mehr als 10.000 Zyklen gekommen.
Sicherheit
Natrium-Ionen-Akkus sind sicherer als die Lithium-Variante. Das gilt in erster Linie im Hinblick auf eine mögliche Überhitzung sowie Temperaturschwankungen. Folglich heißt das auch, dass die Brandgefahr von Elektroautos durch die niedrigere Reaktivität des Materials geringer ist. Außerdem können Natrium-Ionen-Akkus in einem größeren Temperaturbereich eingesetzt werden.
Rohstoffverfügbarkeit
Natrium ist als Rohstoff nicht nur häufiger, sondern auch leichter verfügbar als Lithium. Das resultiert sowohl in einer besseren Versorgungssicherheit als auch in stabileren Preisen – ein entscheidender Vorteil gegenüber Lithium, dessen Verfügbarkeit und Preis stark von den geopolitischen Unsicherheiten abhängen.
Ein weiterer Pluspunkt: Die Gewinnung von Natrium aus Meerwasser ist umweltfreundlicher als der Lithium-Abbau. Dabei wird die salzhaltige Lösung ausgetrocknet und zu elementarem Natrium verarbeitet. Ein großer Teil wird jedoch vor allem für Speisesalz und die Herstellung anderer Natriumverbindungen genutzt.
Potenzielle Anwendungsbereiche für Natrium-Ionen-Akkus
Natrium-Ionen-Akkus sind dank ihrer besonderen Eigenschaften für eine große Auswahl von Anwendungsbereichen geeignet:
- Stationäre Energiespeicherung: Sie können für die Netzstabilisierung sowie für die Integration erneuerbarer Energien – beispielsweise Solar- und Windenergie – aber auch als Heimspeicher für Photovoltaikanlagen eingesetzt werden.
- Elektromobilität: Sie sind besonders für kostengünstige Kleinwagen und Nutzfahrzeuge, bei denen die geringere Energiedichte weniger kritisch ist, geeignet. Außerdem punkten sie durch ein hohes Maß an Sicherheit und eine gute Leistung auch bei niedrigen Temperaturen.
- Tragbare elektronische Geräte: Sie stellen für weniger leistungsintensive Anwendungen, wie Laptops oder Drohnen, eine kostengünstige Alternative zu Lithium-Ionen-Akkus dar.
- Weitere Anwendungsbereiche: Sie werden außerdem in Gabelstaplern, E-Bikes und Booten eingesetzt.
Erstes Elektroauto in Serie mit Natrium-Ionen-Akku: JAC Yiwei
Der JAC Yiwei ist das weltweit erste in Großserie produzierte Auto, das mit einem Natrium-Ionen-Akku ausgestattet ist. Der Elektro-Kleinwagen läuft seit Ende 2023 in China vom Band und wird seit Anfang 2024 ausgeliefert.
JAC ist zu 50 Prozent im Besitz der Volkswagen Group. Bereits im Februar 2023 kündigte das Unternehmen an, der erste Automobilhersteller zu sein, der ein Elektroauto mit einer lithiumfreien Natrium-Ionen-Batterie auf den Markt bringt. Das erste Modell, der Sehol E10X, hatte eine Batteriekapazität von 25 kWh, eine Energiedichte von 120 Wh/kg, eine schnelle Ladegeschwindigkeit (von 10 Prozent auf 80 Prozent in 20 Minuten) und eine Reichweite von 252 km nach dem chinesischen CLTC-Zyklus. Mittlerweile wurde die Marke Sehol aufgegeben; der Hersteller labelte alle Autos zu JAC oder Yiwei um. Der in dem neuen Yiwei-Modell verbaute Natrium-Ionen-Akku stammt aus dem Sehol E10X.
Der JAC Yiwei EV ist das weltweit erste in Serie gefertigte Elektroauto, das standardmäßig mit einem Natrium-Ionen-Akku ausgestattet ist (Bild: ©JAC).
Aktueller Forschungsstand von Natrium-Ionen-Akkus
Weltweit treiben eine Reihe von Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Entwicklung und Kommerzialisierung von Natrium-Ionen-Akkus voran. In China haben Akku-Hersteller wie CATL oder der Autobauer BYD bereits kräftig in die Produktion von Natrium-Ionen-Akkus investiert. So hat BYD bereits im Jahr 2023 seine ersten E-Autos mit Natrium-Ionen-Akkus in Serie produziert. Zusammen mit HiNa Battery hat auch die Marke YAC (Yiwei) aus China begonnen, Elektrokleinwagen mit den innovativen Akkus in Serie herzustellen.
Mit dem BYD Seagull kommt das nächste Elektroauto mit Natrium-Ionen-Akku auf den Markt (Bild: ©BYD).
Doch auch verschiedene europäische Unternehmen wie der schwedische Batteriespezialist Northvolt und das französische Start-up Tiamat Energy sind in diesem Bereich aktiv. Ebenso engagiert sind Unternehmen in den USA. So produziert Natron Energy seit April 2024 Natrium-Ionen-Batterien kommerziell und verwendet dabei manganreiches Preußisch Blau. Faradion ist ein britisches Unternehmen, das ebenfalls große Fortschritte in der Entwicklung der neuen Technologie erzielt.
Auch Deutschland ist mit dabei: Das Start-up Litona, eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), fokussiert sich auf die Produktion des Kathodenmaterials Preußisch Weiß.
Natrium-Ionen-Akkus aus China auf dem Vormarsch
Allerdings haben sich chinesische Unternehmen einen deutlichen Vorsprung in der Entwicklung und Kommerzialisierung von Natrium-Ionen-Batterien erarbeitet. In China kann man bereits erste Autos mit Natrium-Ionen-Akkus kaufen. Darüber hinaus kommen auch fast 90 Prozent der Patente im Zusammenhang mit der Natrium-Technologie aus China.
China hat im Jahr 2024 zudem den ersten großen Natrium-Ionen-Speicher in Betrieb genommen. Damit werden täglich 12.000 Haushalte mit Strom versorgt. Die Anlage kann bis zu 100.000 kWh Strom pro Ladung speichern.
Gleichwohl stehen deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da, schätzt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) die Lage ein. Es gibt bedeutende Fortschritte in der Grundlagenforschung, und die Technologie ist nahe an der Marktreife. Deutschland verfügt zudem über das nötige Know-how in der Batterieforschung und -produktion. Auch eine starke Infrastruktur ist vorhanden, insbesondere entlang der Autobahn A4 von Westthüringen bis nach Ostsachsen. Über 200 Akteure in der Batterieforschung und -wirtschaft sind in dieser Region angesiedelt.
In dem Projekt „Vier-Volt-Natrium-Ionen-Batterie“ (4NiB) arbeitet das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) bereits mit drei Partnern an der Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien. Das ambitionierte Ziel ist nicht nur Lithium durch Natrium zu ersetzen, sondern darüber hinaus auch Bioabfälle in der Batteriezelle zu verwenden. Statt Kupferfolie und Graphit sollen alternative Kohlenstoffverbindungen zum Einsatz kommen. Diese können aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,35 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert.
Herausforderungen und zukünftige Forschungsperspektiven
Auch wenn die Fortschritte bei der Markteinführung der Natrium-Ionen-Technologie vielversprechend sind, gibt es noch einige Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Gerade die geringe Energiedichte im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus schränkt die Nutzung der Natrium-Ionen-Technologie in Bereichen mit hohen Anforderungen an Reichweite und an eine platzsparende Bauweise enorm ein. Doch auch der Aufbau großflächiger Produktionsmöglichkeiten sowie der Ausbau zuverlässiger Lieferketten stellen noch ein Hindernis dar. Sollen die Kostenvorteile gegenüber Lithium-Ionen-Batterien voll ausgeschöpft werden, muss die Produktionseffizienz weiter gesteigert werden.
Der JMEV EV3 verfügt ebenfalls über einen Natrium-Ionen-Akku (Bild: ©JMEV).
Fazit: Natrium-Ionen-Akkus: Eine Technologie nimmt Fahrt auf
Wie Feststoffakkus könnten sich auch Natrium-Ionen-Batterien in Zukunft als vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Lithium-
Ionen-Batterien etablieren, vor allem aufgrund ihrer Kostenvorteile und einer nachhaltigeren Produktion. Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus erfordern sie auch keinen Einsatz von Kobalt oder Lithium, deren Abbau mit hohem Aufwand verbunden ist. Darüber hinaus könnten Lithium-Schwefel-Akkus als weitere interessante Technologie in der Elektromobilität betrachtet werden, da sie ebenfalls Potenzial für höhere Energiedichten und geringere Kosten bieten .
Trotz der Herausforderungen ist das kommerzielle Interesse an dieser Technologie groß. Nicht zuletzt auch aus dem Grund, dass die in Natrium-Ionen-Batterien verwendeten Materialien einfacher zu recyclen sind. Und die Entwicklung nimmt Fahrt auf: Mit dem BYD Seagull soll noch 2025 ein Kleinwagen mit Natrium-Ionen-Akkus in Europa an den Start gehen.