Manch einer denkt bei einem Solarpark an eine versiegelte Fläche. An ein Meer aus Solarmodulen, die ausschließlich der Stromproduktion dienen und der heimischen Tier- und Pflanzenwelt Lebensraum stehlen. In Wirklichkeit sieht das allerdings ganz anders aus, wie eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung im Auftrag des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft e. V. (BNE) zeigt. Demnach sind gut geplante Solarparks sogar ein Gewinn für die Biodiversität. Und, anders als bei einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Fläche, entwickeln sich hier schnell artenreiche regionale Ökosysteme.
Was ist Biodiversität?
Der Begriff „Biodiversität“ bedeutet so viel wie „biologische Vielfalt“. Oft wird der Begriff mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Sie ist aber nur ein Teilaspekt. Denn Biodiversität umfasst auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten sowie die unterschiedlichen Lebensräume und Ökosysteme, in denen sie zu finden sind.
In der Regel leben mehrere Arten in einem solchen Lebensraum zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen und regulieren. Dadurch entsteht ein sogenanntes ökologisches Gleichgewicht. Lebensräume, in denen eine hohe Biodiversität herrscht, sind meist widerstandsfähiger gegen natürliche oder durch Menschen verursachte Störungen. So ist es für die Natur möglich, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen.
Biodiversität: Acker vs. Solarpark
Viele Menschen verbinden mit einem Acker etwas Natürliches, einen Ort, an dem sich Tiere wohlfühlen. Tatsächlich ist eine intensiv, konventionell bewirtschaftete Ackerfläche aus Artenschutzsicht aber kaum hochwertiger als ein Parkplatz vor dem Supermarkt: Denn Ackerflächen sind auf eine einzige Kulturpflanze ausgelegt. Die verwendeten Pflanzenschutzmittel und regelmäßigen Düngungen sowie der Einsatz von schweren Maschinen wie Traktoren erschweren es anderen Pflanzen und Tieren, hier Fuß zu fassen. Wichtige Strukturelemente wie Hecken, Feldgehölze und Kleingewässer verschwinden in den industriell bewirtschafteten Agrarflächen zunehmend.
In Solarparks hingegen werden vorhandene Strukturelemente belassen oder neu angelegt. Die Flächen werden zudem nur selten betreten und die versiegelte Fläche ist aufgrund der Mindestabstände zwischen den Modulreihen gering – genauer gesagt, sie ist kleiner als ein Prozent. Außerdem werden auf diesen Flächen keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt, was der Flora und Fauna zugutekommt. Zahlreiche Studien kommen deshalb zu demselben Ergebnis: In Solarparks kann sich schnell eine bunte Mischung von Tier- und Pflanzenarten heimisch fühlen. Oftmals steigt die Biodiversität in einem Solarpark unmittelbar nach der Inbetriebnahme an – insbesondere dann, wenn der PV-Park auf einer vormals landwirtschaftlichen Fläche errichtet wurde.
Welche Tiere und Pflanzen leben in Solarparks?
In der aktuell größten und umfangreichsten Biodiversitätsstudie wiesen die Wissenschaftler des BNEs in Solarparks, sogenannten PV-Freiflächenanlagen, mehr als 400 Pflanzen- sowie rund 200 Tierarten nach: zwischen den Solarpanelen wurden unter anderem 30 Heuschreckenarten und 36 Tagfalterarten erfasst, in kleineren Tümpeln fanden die Biologen neben diversen Libellenarten auch seltene Amphibien wie die Gelbbauchunke. Auch die Feldlerche, eine in Deutschland selten gewordene Vogelart, wurde in einigen Solarparks nachgewiesen. Untersucht wurden deutschlandweit 30 Solarparks. Alle stehen auf Flächen, die zuvor landwirtschaftlich genutzt wurden.
Ob ein Solarpark die Biodiversität im Vergleich zur vorherigen Flächennutzung fördert, hängt auch stark von der Vornutzung sowie der Umgebung des Standorts ab. Diese beiden Faktoren haben zusammen mit der Bauweise und Bewirtschaftung des Solarparks einen großen Einfluss darauf, welche Tier- und Pflanzenarten sich in einem Solarpark ansiedeln.
Mehr als 400 Pflanzen- sowie rund 200 Tierarten fanden die Biologen des BNE in den untersuchten Solarparks. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Neben dem hier abgebildeten „Bläuling“ wurden auch seltene Schmetterlingsarten, wie der „frühfliegende Mohrenfalter“, gefunden. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Kleinere Tümpel auf dem Gelände der Solarparks sind Heimat diverser Libellenarten. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Auch Amphibien finden sich im Solarpark – hier einer von rund 1.000 Teichfröschen, die im Solarpark Leutkirch leben. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Auch Wespen und Wildbienen nutzen das „Angebot“ im Solarpark. (Bild: EnBW)
Wie wird ein Solarpark zum artenreichen zuhause?
Solarparks können dann den Artenreichtum fördern, wenn sie gut geplant sind. Viele Unternehmen, darunter auch die EnBW, orientieren sich an den Vorgaben für gute Solarparks des Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE). Sie soll sicherstellen, dass die Solarparks einen positiven Beitrag zu Klimaschutz, Biodiversität, Natur- und Umweltschutz sowie der ländlichen Entwicklung leisten. In den Vorgaben ist aufgeführt, wie eine PV-Freiflächenanlage im Detail gestaltet sein sollte und welche Maßnahmen es braucht, um die Artenvielfalt im Solarpark zu fördern. Neben den Standardmaßnahmen, die für jeden Solarpark gleichermaßen gelten, gibt es auch individuelle, arten- und standortbezogene Maßnahmen. Das macht jeden Solarpark einzigartig.
Maßnahmen für einen artenreichen Solarpark
Zwischen den eingezäunten Bereichen bleiben Korridore frei – als grüne Schneisen für Rehe, Hirsche und andere große Wildtiere, die so weiterhin ihren Wanderbewegungen nachgehen und gewohnte Lebensräume ungehindert erreichen können.
Bei Planung und Bau wird darauf geachtet, vorhandene wertvolle Biotope zu erhalten. Diese stehen Arten damit weiterhin als Rückzugsort zur Verfügung.
Regenwasser versickert direkt im Boden. Das schützt vor Erosion, fördert das Bodenleben und verhindert Überhitzung in trockenen Zeiten. Unter den Modulen ist die Bodenfeuchte sogar höher, da weniger verdunstet. Gräben und Teiche bleiben als Lebensraum für Amphibien und Wasservögel erhalten.
Düngemittel und Pflanzenschutz haben in Solarparks keinen Platz. Stattdessen werden Böden durch eine extensive Pflege entlastet und somit artenreiche Lebensräume gefördert.
Das Montagesystem der Solarmodule kommt ohne Betonfundamente aus. Weniger als ein Prozent der Fläche wird versiegelt, höchstens 60 Prozent mit Modulen belegt. So bleibt der Boden durchlässig und lebendig.
Stein- und Totholzhaufen, Insektenhotels oder „Feldlerchenfenster“ – gezielt geschaffene Strukturen bieten Rückzug, Brut- und Überwinterungsplätze für viele Tierarten – von der Zauneidechse bis zur Feldlerche.
Die Modulreihen stehen mindestens 2,5 Meter auseinander und bieten mit 80 Zentimetern Bodenfreiheit genügend Platz und Licht für eine artenreiche Vegetation unter und zwischen den Paneelen.
Häufig beweiden Schafe die Flächen – schonend und effektiv. Wo das nicht geht, kommen möglichst selten leichte Mähgeräte zum Einsatz. Die erste große Mahd erfolgt aus Rücksicht auf Flora und Fauna frühestens Mitte Juni.
Kaninchen, Igel und andere Kleinsäuger können den Solarpark durch bodennahe Durchlässe in den Zäunen ungehindert betreten und wieder verlassen. Das reduziert Stress und ermöglicht ihnen eine störungsarme Nutzung des Geländes.
Durch den Einsatz von Regiosaatgutund standorttypischen Gehölzen bleibt die ursprüngliche Pflanzenwelt erhalten. So wird das natürliche Gleichgewicht bewahrt – und heimische Tiere finden schneller ihren Weg in das neue Habitat.
Wie man Solarparks richtig pflegt
Auch ein Solarpark muss gepflegt werden. Die Art und Weise, in der das geschieht, hat ebenfalls großen Einfluss auf die Artenvielfalt. Besonders schonend ist die Beweidung durch Schafe. Sie halten das Gras unter und zwischen den Solarmodulen kurz. Ein Vorteil für bodenbrütende Vögel, wie die Feldlerche. Der Kot der Schafe fungiert zudem als Nahrungsquelle für Insekten wie den Mistkäfer, aber auch als natürlicher Dünger. Für Schäfer, Parkbetreiber und Natur eine „Win-Win-Situation“.
Biodiversität in EnBW-Solarparks: Drei Beispiele
Für jeden Solarpark erstellen die Expert*innen der EnBW ein individuelles Biodiversitätskonzept. Es beinhaltet neben den Standardmaßnahmen wie einem Mindestabstand von 2,5 Metern zwischen den Modulreihen auch spezielle artenschutzbezogene Maßnahmen, zum Beispiel die Errichtung von Totholzhaufen oder Insektenhotels. Diese Maßnahmen hängen vom jeweiligen Standort ab. Für manche Vorhaben sind mehrere Maßnahmen notwendig oder sinnvoll, für andere lediglich eine oder gar keine. Drei Beispiele, die zeigen, wie unterschiedlich Artenschutz aussehen kann:
Wie Biodiversität in Solarparks untersucht wird
Dipl.-Biologe Richard Engelschall hat im Solarpark Leutkirch rund 48 Stunden die Tier- und Pflanzenwelt dokumentiert. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Ein gutes Fernglas gehört zum Handwerkszeug eines Ornithologen, um die Vogelwelt im Park zu inspizieren. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Mit sogenannten Horchboxen wird insbesondere nachts ermittelt, welche Tiere auf dem Gelände des Solarparks aktiv sind. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Wie Frösche gezählt wurden: Man schreitet am Biotop entlang und schaut, wie viele Frösche dabei auf einem bestimmten Stück wegspringen. Die Zahl wird hochgerechnet. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Insekten und Schmetterline ist Biologe Engelschall mit einem Netz auf der Spur. (Bild: EnBW / Uli Deck)
Feldlerchen in Weesow-Willmersdorf
Der Solarpark Weesow-Willmersdorf ist nur rund eine Fahrstunde von Berlin entfernt, im brandenburgischen Landkreis Barnim. Mit einer Fläche von 164 Hektar und einer Leistung von 187 Megawatt ist er der größte und leistungsstärkste Solarpark, der im Rahmen der aktuellen BNE-Studie untersucht wurde. Noch außergewöhnlicher als die Größe der Anlage ist die Population von Feldlerchen vor Ort – trotz angrenzender Ortschaften. Die Vogelkundler im Auftrag des BNE wiesen in Weesow-Willmersdorf rund 10- bis 20-mal mehr Feldlerchen nach als sonst auf Acker- oder Grünflächen.
Fledermäuse in Eggesin
Auch frühere Untersuchungen zeigen, dass EnBW-Solarparks artenreich sind: Beim GEO-Tag der Natur 2021 wurden in verschiedenen Solarparks 48 Stunden lang seltene Tier- und Pflanzenarten gezählt und aufgezeichnet – auch in Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern. Der Solarpark entstand auf einer ehemaligen Artilleriekaserne mit recht trockener Vegetation und hat eine Leistung von 10 Megawattpeak (MWp). Die 36.000 Solarmodule erzeugen ausreichend Strom für 3.000 Haushalte. Als Ausgleichsmaßnahmen wurden Brutkästen für Vögel und Fledermäuse errichtet sowie Flächen aufgeforstet. Um die Pflege des Solarparks kümmern sich rauhwollige pommersche Landschafen– eine vom Aussterben bedrohte Rasse.
Frösche und Libellen in Leutkirch
Ganz gegensätzlich zur trockenen Vegetation in Eggesin: Der Solarpark im baden-württembergischen Leutkirch. Er befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube mit für den Naturschutz wichtigen Feuchtbiotopen. Ein Großteil des Solarparks entstand 2012. In den Jahren 2014 und 2019 wurde er auf insgesamt rund 8,6 Megawatt erweitert. Auch hier waren Biolog*innen vor Ort und haben Teichfrösche, Libellen und zahlreiche Insektenarten nachgewiesen, zum Beispiel den seltenen frühfliegenden Mohrenfalter.