In den sozialen Medien haben Kritiker der Windenergie bereits häufig die Sorge geäußert, dass durch die von WEA erzeugten Turbulenzen lokale Klimaveränderungen eintreten könnten, die zu einer Erwärmung und Austrocknung des Bodens führen. Der als AfD-nah geltende Jurist Ulrich Vosgerau schrieb 2024 beispielsweise in einem Post auf der Plattform X, dass der Atmosphäre durch Windräder Bewegungsenergie entzogen werde, was möglicherweise zur „grassierenden Bodentrockenheit“ führen könnte. Wie zutreffend sind derartige Aussagen?
Keine stichhaltigen wissenschaftlichen Anhaltspunkte
„Die Studienlage zu diesem Thema ist sehr dünn und ambivalent. Die Ergebnisse aus Studien, die es gibt, sind oft nicht belastbar oder treffen nicht auf die Verhältnisse in Deutschland zu (sehr große Windparks)“, sagt Dirk Schindler, Professor für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg, auf Nachfrage. Zudem gibt der Experte zu bedenken, dass unklar sei, was „Bodentrockenheit“ überhaupt bedeute. Die Interpretation, dass sich die Werte der Bodenfeuchte ändern, sei unspezifisch und bedeute nicht automatisch „Wasserknappheit“. „Würde sich die für Pflanzen verfügbare Wassermenge im Boden reduzieren, wäre das ein Trockenheitseffekt. Dazu gibt es noch keine belastbaren Studien,“ betont Schindler.
Ein Faktencheck des Vereins Energiewende InnSalzach kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass es keine stichhaltigen Beweise dafür gibt, dass WEA die Bodenfeuchtigkeit signifikant beeinflussen. Die durch die Rotorblätter erzeugten Turbulenzen seien nicht stark genug, um den Boden auszutrocknen. Tatsächlich hänge die Bodenfeuchtigkeit hauptsächlich von Niederschlägen, Bewässerung und der Bodentypologie ab.
Lokale Temperaturveränderungen
Eine in dem Fachjournal Nature Climate Change publizierte Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte die Auswirkungen großer Windparks im US-Bundesstaat Texas auf die Umgebungstemperaturen. Zwischen 2003 und 2011 stiegen die Bodentemperaturen demnach in unmittelbarer Nähe der Windräder um 0,72 Grad Celsius im Vergleich zu weiter entfernten Landstrichen. Die Autoren betonten jedoch, dass es sich hierbei um einen lokalen Effekt handelt, der auf die unmittelbare Umgebung der Windparks beschränkt ist. Zudem zeigte die Studie diesen Effekt vor allem bei bestimmten Wetterlagen (Windrichtungen) und in den Nachtstunden.
„Nachts, wenn die natürliche Turbulenz durch die thermische Schichtung der Atmosphäre abgeschwächt wird, können Windenergieanlagen das Turbulenzniveau in Bodennähe erhöhen und für einen vertikalen Austausch von Luftmassen sorgen. Dabei wird kältere Luft, die der Erdoberfläche aufliegt, mit wärmerer Luft aus höheren Schichten vermischt, was eine lokale (kleinräumige) und zeitlich begrenzte Erwärmung über dem Erdboden verursachen kann,“ erklärt Umweltmeteorologe Schindler.
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags gehen ebenfalls von lokalen Klimafolgen durch WEA aus. Zudem erklären sie, dass die nächtlichen Temperaturanstiege als ein mikroklimatischer Wechsel bezeichnet werden, es sich aber um keine Dürre handele. Stattdessen würden Wissenschaftler die bestehende Dürreproblematik (in Deutschland) auf den Klimawandel zurückführen.
Fazit
Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass Windkraftanlagen zwar lokale mikroklimatische Effekte haben können, wie eine geringfügige Erhöhung der Bodentemperatur in unmittelbarer Nähe. Es gibt jedoch keine belastbaren Belege dafür, dass diese Anlagen zu einer signifikanten Austrocknung des Bodens führen oder das Mikroklima in einem Ausmaß beeinflussen, das negative Auswirkungen auf die Umwelt hätte. Die Hauptfaktoren für Bodentrockenheit bleiben weiterhin natürliche Klimabedingungen und landwirtschaftliche Praktiken, die durch den Klimawandel verschärft werden wie zum Beispiel mehrjährige Dürrephasen, veränderte Niederschlagsmuster sowie extremere Temperaturen bei Hitzewellen.