Für die Bewertung von Windressourcen in einer Region werden in der Regel sogenannte Windatlanten genutzt (Beispiel Baden-Württemberg). Sie stellen durchschnittliche Windgeschwindigkeiten in einer bestimmten Höhe wie etwa 100 bis 200 Metern dar und helfen beim Analysieren der Windverhältnisse sowie beim Bewerten von neuen Standorten für Windenergieanlagen (WEA).
Windatlanten können lokale Gegebenheiten allerdings nicht exakt abbilden, da sie großräumige Windverhältnisse abbilden und mit Unsicherheiten behaftet sind. Für eine umfassende Standortanalyse oder ein detailliertes Ertragsgutachten reichen die Daten aus einem Windatlas nicht aus. Windpotenzialanalysen vor Ort, die etwa mithilfe von LiDAR-Messungen vollzogen werden, helfen bei einer detaillierteren Standortanalyse.
Skeptiker begründen die geringe Attraktivität für WEA in Süddeutschland mit niedrigeren ausgewiesenen Potenzialen auf Basis veralteter Daten. Sie stammen oft aus einer Zeit, als der Stand der Technik ein anderer war. Heutzutage sind WEA 150 bis 200 Meter hoch – und in dieser Höhe sind die Windgeschwindigkeiten auch in Süddeutschland deutlich höher. Der Windatlas Baden-Württemberg von 2011 war etwa auf eine Höhe von 100 Metern bezogen, die aktuelle Version aus 2019 umfasst die Höhen 140 Meter, 160 Meter, 180 Meter und 200 Meter. Auch der bayerische Windatlas von 2014 wurde 2021 mit neuen Berechnungen aktualisiert.
WEA auch bei schwachem Wind effizient
Der technologische Fortschritt lässt sich neben gestiegener Nabenhöhen der WEA auch in effizienteren Rotorblättern mit größerem Durchmesser erkennen, sogenannten Schwachwindanlagen, die auch bei mittleren oder niedrigen Windgeschwindigkeiten effizient Strom produzieren.
Im Alpenvorland oder auf einigen Hügelketten in Baden-Württemberg, Gebiete, die der Windatlas unterdurchschnittlich bewertet, sind aufgrund genauerer Standortanalysen ausreichend Potenziale für wirtschaftliche Windenergie erkannt worden. So verfügen Standorte auf den exponierten Höhenlagen des Schwarzwaldes über ein ähnliches Windpotential wie Standorte an der deutschen Küste.
Politische Rahmenbedingungen
Auch die Politik spielt beim Windenergiepotenzial in Süddeutschland eine Rolle. Abstandsvorgaben wie die 10H-Regel in Bayern (Wohngebäude müssen mindestens in 10-facher Höhe der WEA entfernt stehen) schränken die verfügbaren Flächen ein. In den letzten Jahren kam es aber vermehrt zu Lockerungen und Ausnahmen dieser Regel.
Das Wind-an-Land-Gesetz verpflichtet die Länder zudem, einen festgelegten Prozentsatz ihrer Landesfläche für Windenergie auszuweisen (Bayern und Baden-Württemberg jeweils 1,8 Prozent bis 2032). Das Bayerische Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie geht auf Basis des neuen Windatlasses von 3,38 Prozent der Landesfläche als geeignete Gebiete für WEA aus.
Auch wenn das Potenzial im Süden des Landes grundsätzlich geringer als in Norddeutschland ist, ist die geographische Verteilung der erzeugten Windenergie von Vorteil, etwa durch eine stetige Einspeisung trotz witterungsbedingter Schwankungen und das Minimieren von Transportverlusten in Hochspannungsleitern von der Küste in den Süden.
Fazit
Veraltete Annahmen sind Grund für die Meinung, Windenergie in Süddeutschland lohne sich nicht. Moderne Anlagen und genaue Standortanalysen auch vermeintlich unattraktiver Regionen zeigen, dass auch dort effizient Strom erzeugt werden kann – ein wichtiges Potenzial für die Energiewende.