5 Fragen zur Wasserstoffherstellung
Ganze Industriezweige setzen ihre Hoffnungen in Wasserstoff, der laut vielen Experten als Kraftstoff der Zukunft gilt. Stahlproduktion, Wärmeversorgung und Mobilität wollen künftig von diesem Gas profitieren. Doch wo kommt der Wasserstoff her? Und wie trägt er zu einer klimaneutralen Zukunft bei?
Wie entsteht Wasserstoff?
Wasserstoff kann auf unterschiedliche Weisen hergestellt werden. Die gängigste Methode ist derzeit die Dampfreformierung von Erdgas: ein Verfahren, bei dem neben Wasserstoff allerdings auch CO₂ produziert wird. Wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom in seine molekularen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, spricht man von Elektrolyse. Und wenn der dazu benötigte Strom aus erneuerbaren Energien kommt, gewinnt man klimaneutralen oder auch grünen Wasserstoff.
Die Reinheit von Wasserstoff wird in Maßzahlen angegeben. Dabei gibt die erste Zahl an, wie oft die Ziffer 9 im Prozentwert vorkommt. So entspricht Wasserstoff 3.0 einer Reinheit von 99,9 Prozent, Wasserstoff 5.0 hingegen weist eine Reinheit von 99,999 Prozent auf.
Wo wird in Baden-Württemberg grüner Wasserstoff hergestellt?
Die Produktion von grünem Wasserstoff steht in Deutschland noch ganz am Anfang. Dennoch gibt es vereinzelt schon Projekte, die sich mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff beschäftigen. In Grenzach-Wyhlen (Landkreis Lörrach) betreibt die EnBW-Tochter Energiedienst (ED) seit 2018 auf ihrem Wasserkraftwerksgelände eine Power-to-Gas-Anlage. Dort erzeugt sie mit klimaneutralem Strom aus Wasserkraft hochreinen Wasserstoff 5.0 „Bei Volllast produzieren wir täglich gut 400 Kilogramm Wasserstoff, damit ließen sich etwa 100 PKW volltanken“ sagt André Büssers vom ED-Bereich Wasserstoff.
In Heilbronn ist eine weitere Tochter der EnBW aktiv. Unter dem Projektnamen H₂ORIZON erzeugt ZEAG-Projektleiterin Isabelle Tuchek seit 2019 mit ihrem Team hochreinen Wasserstoff 5.0 aus Windenergie. Zum Einsatz kommt hier eine neue Elektrolyseform, die sogenannte Proton Exchange Membrane (PEM). „Das ist eine dynamische Anlage, die Schwankungen in der Stromzufuhr besser ausgleichen kann“ erklärt Tuchek. Weil der Wind nicht ständig und gleichstark weht, müssen bei der Wasserstoffproduktion aus Windenergie solche Schwankungen aber immer miteinkalkuliert werden. Projektpartner der ZEAG ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), auf dessen Gelände auch die Anlagen stehen. „Unser produzierter Wasserstoff wird im ersten Schritt hauptsächlich für die Triebwerksforschung hier am Standort eingesetzt“ So Tuchek. Das DLR testet unter anderem Wasserstoff-Sauerstoff-Antriebe für die Ariane-5-Rakete. Mit über 400 Tonnen Wasserstoff-Verbrauch jährlich gilt es als einer der größten Wasserstoffnutzer Europas.
Wie teuer ist Wasserstoff?
Einen einheitlichen Preis für Wasserstoff gibt es nicht. „Die Spanne für grünen Wasserstoff reicht von 5 - 20 Euro pro Kilogramm“ sagt Isabelle Tuchek. „Die breite Preispanne ist auf die unterschiedlichen Größen der Erzeugungsanlagen und der Produktionsart aus erneuerbarer Energie zurückzuführen. Grauer Wasserstoff aus Erdgas ist bereits um 3 - 4 Euro pro Kilogramm erhältlich.“ In Wyhlen bei der ED kostet ein Kilogramm grüner Wasserstoff aktuell 7 Euro und mehr. „Das liegt mitunter an den hohen Strompreisen“ sagt André Büssers. Fährt man an eine Wasserstofftankstelle, zahlt man den bundesweit einheitlichen Preis von 9,50 Euro. Ein Kunstpreis, der weniger auf den Erzeugungsaufwand, als vielmehr auf eine politische Komponente zurückzuführen ist. „Der Preis von 9,50 Euro wurde mit einem sogenannten Dieseläquivalent festgelegt. Dabei wird der Kraftstoffverbrauch von Verbrenner und Wasserstoffantrieb verglichen und der Wasserstoffpreis schließlich äquivalent zum Dieselpreis festgelegt“ so Tuchek. „Wobei der Wasserstoff an den öffentlichen Tankstellen meistens kein grüner ist.“
Wie kann grüner Wasserstoff günstiger werden?
Indem Nebenprodukte genutzt werden. „Sowohl bei der Elektrolyse als auch im Wasserkraftwerk entsteht Abwärme“, sagt Büssers. „Mit der Abwärme des Kraftwerks werden wir mittelfristig ein neues Wohngebiet beheizen. Auch von der PtG-Anlage kann künftig die Abwärme ausgekoppelt und damit nutzbar gemacht werden.“ Von der Wasserstoffproduktion können also noch weitere Sektoren, wie beispielsweise die Wärmeversorgung profitieren. Sektorenkopplung nennt sich dieses Zusammenspiel. In einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Reallabor entwickelt ED deshalb ein Geschäftsmodell zur wirtschaftlichen Nutzung von grünem Wasserstoff.
Bereits einen Schritt weiter ist H₂ORIZON bei Heilbronn. Anfang 2022 soll die 1-MW-Elektrolyseanlage in den Regelbetrieb gehen. „Wir wollen zeigen, wie Sektorenkopplung im industriellen Maßstab schon heute in der Praxis funktioniert“, sagt Isabelle Tuchek. Neben der Elektrolyseanlage betreibt die ZEAG auf dem DLR-Standort auch zwei Blockheizkraftwerke, von denen eines 2022 zu Forschungszwecken auch mit bis zu 60 Prozent Wasserstoff betrieben werden kann. Damit soll auch die Energie- und Wärmeversorgung in den Gebäuden am Standort nachhaltiger werden.
Entscheidend für die Kostenreduktion ist aber auch, dass künftig ausreichend günstiger Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Wasserstofferzeugung in Deutschland?
„Am Anfang des Projektvorhabens war die eingesetzte Elektrolyse-Technologie noch recht neu, und da mussten wir uns erst herantasten“ erinnert sich Tuchek. „Wir hatten einen Windpark, einen Abnehmer (DLR) und ein paar motivierte Kolleg*innen, und jetzt stehen wir als Vorreiter kurz vor dem Übergang in den kommerziellen Betrieb.“ Das mache sie stolz, sagt die junge Projektleiterin, allerdings gab es einige Hürden zu meistern: „Diese Anlagen werden hauptsächlich als Containersysteme angeboten. Wir haben sie aber im Gebäude in Betrieb genommen, wodurch zahllose Auflagen hinzukamen, die wir als Betreiber zu erfüllen hatten.“
Und dann sind da noch die politischen Rahmenbedingungen, die aktuell noch nicht vollumfänglich geklärt sind. Denn trotz der Direktanbindung an den eigenen Windpark und der Tatsache, dass H₂ORIZON keinen Strom aus dem Netz der öffentlichen Versorgung bezieht, ist noch nicht ganzheitlich geklärt, ob und in welchem Umfang die ZEAG eine Umlage auf den Strompreis bezahlen muss. Generell müssen aber auch die erneuerbaren Energiequellen im Land massiv ausgebaut werden, um den hohen Bedarf an klimaneutralem Strom für die grüne Wasserstoffproduktion zu decken.
Züge mit Wasserstoffantrieb
In Niedersachsen ist bereits der weltweit erste wasserstoffbetriebene Zug unterwegs. Auf der Teststrecke zwischen Cuxhaven und Buxtehude fährt seit 2019 der „Coradia iLint“ des französischen Unternehmens Alstom. Die Züge verfügen über eine Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff betankt wird. Mit einer Tankfüllung kann der „Coradia iLint“ 600 Kilometer zurücklegen. Bis dato hatte Alstom eigens gebaute Testzüge im Einsatz, jetzt hat das Unternehmen angekündigt, in Serienproduktion zu gehen. Bis Ende 2021 sollen auf der Strecke Cuxhaven - Buxtehude nämlich nur noch Wasserstoffzüge fahren. Insgesamt 14 Brennstoffzellenzüge sollen die gesamte Dieselzugflotte der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb) ersetzen. Gebaut werden die "Coradia iLint"-Züge am Alstom-Standort in Salzgitter.