Windkraft an Land ist eine Erfolgsgeschichte
Der Ausbau der Windenergie an Land gehört fest zum Fahrplan der Energiewende. Im Binnenland weht der Wind aber weniger stark als in Küstenregionen. Wälder, Hügel und Unebenheiten im Gelände bremsen den Wind zudem ab. Erst in größeren Höhen sind die Windgeschwindigkeiten so hoch wie an der Küste – deshalb müssen Windenergieanlagen im Binnenland in der Regel höher sein als im küstennahen Flachland. Dann ist es auch dort möglich, den vorhandenen Wind optimal zur Stromerzeugung zu nutzen. Der Bau einer Windkraftanlage lohnt sich überall dort, wo die sogenannte Windleistungsdichte für den wirtschaftlichen Betrieb hoch genug ist. Die Windleistungsdichte ist ein Maß dafür, wie viel Leistung der Wind beim Durchströmen des Rotors an einem Standort im Mittel für die Nutzung von Windenergieanlagen bereitstellt.
420 neue Onshore-Windenergieanlagen mit 1.431 Megawatt (MW) Leistung sind in Deutschland im vergangenen Jahr neu entstanden. Das ist vergleichsweise wenig gegenüber früheren Jahren: 2017 etwa kamen 5.333 MW neu hinzu. Die installierte Gesamtleistung aus Onshore-Windenergie erreichte 2020 zum Jahresende 54.938 MW. Insgesamt produzierte Windkraft 2020 hierzulande rund 132 Mio. Megawattstunden (MWh) Strom – das ist ungefähr so viel Strom, wie eine Großstadt wie Berlin mit rund 3,7 Mio. Einwohnern in zehn Jahren verbrauchen würde. Mit der hohen Stromerzeugung war Windkraft 2020 erneut die stärkste Energiequelle in Deutschland – gefolgt von Braunkohle, Kernenergie, Gas und Photovoltaik. Der Anteil der Onshore-Windstromproduktion daran lag bei 105 Mio. MWh, das sind immerhin 21,5 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Zum Vergleich: Braunkohle trug in Deutschland 2020 etwa 82 Mio. MWh zur Stromerzeugung bei.
„Onshore-Windenergie hat sich zur wichtigsten Säule der Energiewende entwickelt“, so Harald Schmoch, Bereichsleiter Erneuerbare Energien bei der EnBW. „Wir wollen großen Anteil daran haben und treiben den Ausbau voran.“ Bis zum Jahresende 2020 hatte der EnBW-Konzern Onshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 951 MW in Betrieb. Ziel bis 2025 sind 2.000 MW.
Der bisher größte Onshore-Windpark der EnBW liegt im niedersächsischen Buchholz, nördlich von Hannover. Buchholz lieferte seit Ende 2012 mit 20 Turbinen und einer Leistung von 40 MW einen jährlichen Ertrag von rund 78.000 MWh. Vier weitere Anlagen mit einer Leistung von je 3,3 MW sind in Buchholz 2017 in Betrieb gegangen. Mit insgesamt 53,2 MW liefert der Windpark nun Strom für rechnerisch rund 34.000 Haushalte.
Der zweitgrößte Windpark der EnBW liegt in Baden-Württemberg: In Langenburg gingen 2018 zwölf Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 40 MW und einem jährlichen Ertrag von rund 95.000 MWh ans Netz – das entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch von etwa 27.000 Haushalten.
Für die erfolgreiche Umsetzung von Windkraftprojekten ist ein breiter Rückhalt der Bevölkerung entscheidend. Repräsentative Studien von Forsa haben über mehrere Jahre hinweg gezeigt, dass die Nutzung und der Ausbau der Onshore-Windenergie von einem sehr großen gesellschaftlichen Konsens getragen sind. Der Anteil der Befragten, der die Nutzung und den Ausbau der Windenergie an Land im Rahmen der Energiewende als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ bewertet, lag bei allen bislang sechs Erhebungen für Deutschland stets bei rund 80 Prozent. Weitere, von der EnBW beauftragte Forsa-Umfragen für Baden-Württemberg (79 Prozent) und Thüringen (73 Prozent) kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Ausbau der Windkraft bei der Bevölkerung mehrheitlich Unterstützung und Zustimmung findet.
Der Ausbau der Windkraft an Land ist zuletzt stark eingebrochen
jährlicher Zubau | |
2010 | 1551 |
2011 | 2085 |
2012 | 2415 |
2013 | 2998 |
2014 | 4750 |
2015 | 3730 |
2016 | 4625 |
2017 | 5333 |
2018 | 2402 |
2019 | 1078 |
2020 | 1431 |
Quelle: BWE
Von 2010 bis 2017 stieg der jährliche Zubau an Onshore-Windenergieleistung stark an in Deutschland, danach kam es wegen der zahlreichen Hemmnisse zu einem Einbruch. Der absolute Tiefpunkt war 2019 erreicht. 2020 kamen 1.431 Megawatt (MW) Leistung hinzu – vergleichsweise wenig etwa zu 2017.
1.000 Meter: Länder dürfen Abstände verringern
Die umstrittene 1.000-Meter-Abstandsregel zwischen Windkraftanlagen und Wohngebäuden hatte den Ausbau der Windkraft an Land zuletzt stark gehemmt. Nach langen Verhandlungen erzielte die schwarz-rote Koalition Mitte 2020 eine Einigung über Mindestabstände für Windräder an Land: Eine bundeseinheitliche, pauschale Abstandsregelung, wie zunächst geplant, gilt nicht. Stattdessen sollen die Länder nun selbst entscheiden können, ob mindestens 1.000 Meter Abstand zwischen Siedlungen und Windkraftanlagen bei ihnen einzuhalten sind oder nicht. Die nordrhein-westfälische Landesregierung etwa hat jüngst angekündigt, den Kommunen selbst die Entscheidung über die Abstände zu überlassen und somit auch Ausnahmen zuzulassen.
Doch der Gestaltungsspielraum besteht nicht überall: In Bayern gilt bereits seit 2014 die sogenannte 10-H-Regel. Demnach muss der Abstand einer Windkraftanlage zu Wohnbebauung mindestens zehn Mal so weit sein wie die Anlage hoch ist. Bei einer 240 Meter hohen Anlage, wie sie heute in Süddeutschland Standard ist, sind das 2.400 Meter. Seit Jahren stockt der Ausbau der Windenergie in Süddeutschland: Auch 2020 betrug der Zubau in Bayern lediglich 32 MW mit acht Anlagen, während in Nordrhein-Westfalen 317 MW Leistung mit 93 Windkraftanlagen ans Netz gingen.
Infraschall: Falsche Berechnung um den Faktor 10.000
Ein jahrelang von Kritikern und Bürgerinitiativen angeführtes Argument gegen den Onshore-Ausbau war der vermeintlich hohe Infraschall von Windkraftanlagen. Ende April 2021 gab die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Fehler in ihrer vielzitierten Studie „Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen“ aus dem Jahr 2005 zu. Die Wissenschaftler hatten sich bei der Angabe des Infraschall-Pegels schlicht verrechnet und ihn viel zu hoch angesetzt – und zwar um den Faktor 10.000. Inzwischen hat das BGR die Studie zurückgezogen und eine Überarbeitung angekündigt.
Bei wie vielen Windkraftprojekten der Verweis auf denkbare Gesundheitsschäden durch einen vermeintlich hohen Infraschall die Akzeptanz der Bevölkerung geschmälert hat, lässt sich vermutlich nicht mehr nachvollziehen. Ebenso wenig lässt sich Stand heute sagen, inwiefern die fehlerhafte BGR-Studie Einfluss auf politische Grundsatzentscheidungen wie die Mindestabstandsempfehlung hatte. Fakt ist jedoch: Die Studie des BGR, das dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht, diente Windkraftgegnern jahrelang als Argument gegen den Onshore-Ausbau. Das Ministerium hat sich inzwischen für die falschen Zahlen entschuldigt. Die Akzeptanz von Windkraftanlagen an Land habe „ein Stück weit“ darunter gelitten.
Schutz von Mensch und Natur wichtig
Grundsätzlich baut auch die EnBW Windkraftanlagen nur auf Flächen, die vom Raumplanungsrecht des Bundes und der Länder dafür ausgewiesen sind. Bereits die Regionalplanung des Landes und die Flächennutzungspläne der Gemeinden sehen einzig solche Gebiete für Windkraft vor, die andere Schutzgüter nicht beeinträchtigen. Tabuzonen sind zum Beispiel Naturschutzräume, Flugrouten des Luftverkehrs, Wasserschutzgebiete und andere Schutzräume. Zahlreiche Fachgutachten stellen während der Planungsphase den Schutz von Mensch, Fauna und Flora sicher. Windkraftanlagen können am Ende nur dort entstehen, wo dies der Arten- und Naturschutz zulässt.
Ein ebenfalls häufig genannter Kritikpunkt beim Ausbau von Onshore-Windkraft ist ein vermeintlich negativer Einfluss auf den Tourismus. Die tatsächlichen touristischen Entwicklungen rund um Onshore-Windparks widerlegen diese Annahme. Zudem gleicht die EnBW unvermeidbare Eingriffe in die Natur in direkter Abstimmung mit den jeweils betroffenen Gemeinden und Behörden aus – durch ökologische Maßnahmen, die zu den örtlichen Gegebenheiten passen: etwa Aufforstungen, Rekultivierungen oder neu angelegte Streuobstwiesen. Und schließlich profitieren Gemeinden über Gewerbesteuereinnahmen und die lokale Wertschöpfung, was wiederum Vieles ermöglicht, was die Attraktivität vor Ort steigert.
Ausbauziel: 95.000 Megawatt Leistung bis 2030
Ein entscheidender Faktor beim Ausbau von Onshore-Windkraft in Deutschland bleibt letztlich die Bereitstellung von geeigneten Flächen und die Genehmigung von einzelnen Anlagen und Windparks. Für das Jahr 2021 prognostizieren die beiden Branchenvereinigungen Bundesverband Windenergie (BWE) und VDMA Power Systems einen Ausbau von 2.000 bis 2.500 Megawatt (MW). Das zum Jahresende 2020 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht bis 2030 ein Ausbauziel der Onshore-Windenergie von 71.000 MW vor. Mit Bezug auf das erhöhte EU-Treibhausgas-Minderungsziel strebt das Bundesumweltministerium die Erhöhung des Ausbauziels auf 95.000 MW an. Dafür benötige es jährlich Genehmigungen für 5.000 bis 6.000 MW, so die Branchenverbände.
Aber auch das sogenannte Repowering könne dazu beitragen, das Ausbauziel zu erreichen. Beim Repowering werden alte Windkraftanlagen durch moderne ersetzt, die deutlich leistungsfähiger sind. Dadurch steigt die Stromerzeugung von Windparks, ohne dass dafür weitere Windkraftanlagen installiert werden müssen. Doch bürokratische Hürden verhinderten bislang ein flächendeckendes Repowering von alten Anlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Fördersystematik fallen, so der BWE. Immerhin gehe es bis 2025 um rund 16.000 MW. Eine „nationale Repowering-Strategie“ sei nötig, um ein schnelles und effizientes Repowering auf bereits etablierten Standorten zu ermöglichen und das energiepolitische Potenzial effizienterer Anlagen zu nutzen. Auch die EnBW erhofft sich vereinfachte Genehmigungsverfahren, um Bestandsflächen für Repowering zu erhalten. Aktuell bringt Repowering immerhin den rund dreifachen Stromertrag bei halber Anlagenzahl – ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Energiewende.