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Dachziegel mit Photovoltaik: Das Musterbeispiel Pompeji

Jedes Jahr bestaunen mehr als 3,5 Millionen Tourist*innen aus aller Welt die antike Ausgrabungsstätte Pompeji. Die Solarzellen auf dem „Haus der Cecere“ in dem historischen Park dürfte bis vor Kurzem kaum jemand von ihnen beachtet haben. Kein Wunder: Die Module sind unsichtbar im Inneren der Dachpfannen versteckt. Die Dachziegel bestehen aus einer gefärbten Polymermasse, die für das menschliche Auge undurchsichtig ist. Sonnenstrahlen dringen jedoch durch zu den eingebauten Photovoltaikzellen – das ist die Besonderheit.

Erfunden hat die optisch unauffälligen Solarziegel das italienische Familienunternehmen Dyaqua. „Sie sehen genauso aus wie die von den Römern verwendeten Terrakottaziegel, aber sie erzeugen den Strom, den wir für unser umfangreiches Beleuchtungssystem der Fresken benötigen“, so Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Archäologischen Parks von Pompeji. „Wir sehen in den Ziegeln eine Möglichkeit, Kosten zu sparen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen“, erklärte der in Berlin und Bonn ausgebildete Archäologe bei der Vorstellung des Projekts. Pompeji erstrahlt nun als Musterbeispiel dafür, wie sich Kulturerbe und Energiewende bestmöglich vereinen lassen. Immerhin galten erneuerbare Energien und Denkmalschutz viele Jahre lang als kaum miteinander vereinbar.

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Kulturdenkmale und Klimaschutz: Worin liegt der Konflikt?

Sichtbar ist bei einem Solarziegel von Dyaqua lediglich die lichtdurchlässige Abdeckung, die wie ein klassischer Terrakottaziegel aussieht.

Auch in Deutschland konnten Eigentümer*innen historisch bedeutsamer Gebäude bislang nur in Einzelfällen und unter bestimmten Bedingungen Photovoltaikanlagen installieren, um mit Solarenergie selbst Strom zu produzieren. Insbesondere herkömmliche Solarmodule waren auf denkmalgeschützten Gebäuden in der Regel tabu: zu groß, zu auffällig und zu wenig mit dem Erscheinungsbild verträglich, hieß es bei Ablehnungen der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung oft – sehr zum Unverständnis der Antragsteller*innen.

Rechtlich betrachtet steckt der Bund beim Thema Energiewende und Kulturerbe bereits seit vielen Jahren im Dilemma. Sowohl der Klimaschutz als auch der Denkmalschutz sind hierzulande verfassungsrechtlich verankert. Der Staat ist somit verpflichtet, beiden Themen gleichviel Freiraum einzuräumen. Er muss sicherstellen, dass Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung unverändert erhalten bleiben. Neben Kirchen, Altstadtkernen und Schlössern sind in Deutschland auch viele ältere Mehrfamilienhäuser denkmalgeschützt. Gleichzeitig soll der Staat Maßnahmen ermöglichen und fördern, die dem Fortschritt der Energiewende dienen. Bundesweite Regelungen für Photovoltaik auf Denkmälern gab und gibt es jedoch nicht.

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Wer entscheidet beim Denkmalschutz?

Der Denkmalschutz ist in Deutschland Sache der Bundesländer, jedes der 16 Bundesländer hat sein eigenes Denkmalschutzgesetz (DSchG) mit Empfehlungen, wie mit Kulturdenkmalen umzugehen ist. In der Praxis liegt die Entscheidung über eine Solaranlage auf dem Dach eines historischen Gebäudes letztlich bei der „unteren Denkmalschutzbehörde“ der jeweiligen Bezirksämter. Hier kommt es bei Einzelfallentscheidungen in der Regel auf den Grund des Denkmalschutzes an. Ist ein Gebäude wegen seiner architektonischen, historischen oder künstlerischen Besonderheit denkmalgeschützt, darf sein Erscheinungsbild nicht verändert werden.

Zwar sind in Deutschland lediglich 2,8 Prozent aller Gebäude denkmalgeschützt, sodass der Einfluss auf den Ausbau der Solarenergie gering erscheint. Doch in Einzelfällen konnte bislang auch der sogenannte „Ensembleschutz“ die Installation einer Solaranlage in der Nachbarschaft eines Kulturdenkmals erschweren. Dabei steht zwar nicht das Gebäude unter Denkmalschutz, auf dem eine Photovoltaikanlage geplant ist, dafür aber beispielsweise eine historische Kirche in unmittelbarer Nähe. Häufige Bedenken des Denkmalschutzes in derartigen Fällen: Die ästhetische Wirkung von Solarmodulen auf benachbarten Gebäuden könnte das Erscheinungsbild des Ensembles stören.

Lohnt sich eine PV-Anlage bei Denkmalschutz?

Wer eine Solaranlage an oder auf einem denkmalgeschützten Gebäude installieren möchte, muss mit deutlich höheren Kosten im Vergleich zu Anlagen an oder auf herkömmlichen Häusern rechnen. Grund dafür ist der insgesamt größere Aufwand. Um etwa das Aussehen des Gebäudes möglichst wenig zu verändern, können nicht einfach marktübliche Module zum Einsatz kommen, sondern möglichst in die Fassade oder das Dach integrierte und damit unauffällige Lösungen. Auch bei der Verlegung von Leitungen darf es nicht zu einer optischen Veränderung kommen, was wiederum extra kostet.

Lohnt sich dennoch die Installation von Photovoltaik auf einem Denkmal? Sowohl die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) als auch teilweise kommunale Stellen bieten Fördermittel für die energetische Sanierung von Denkmalimmobilien – für deren Bewilligung sind jedoch bestimmte Richtlinien zu erfüllen. Um eine Denkmalschutz-Förderung der KfW zu bekommen, muss ein Denkmalgebäude beispielsweise einen rund 60 Prozent schlechteren Energiebedarf im Vergleich zu Neubauten aufweisen. Erfüllt eine Denkmalimmobilien für eine energetische Sanierung nicht die Bedingungen für ein sogenanntes „KfW-Effizienzhaus Denkmal“, haben Eigentümer*innen aber immer noch die Möglichkeit, eine vereinfachte Förderung bei der KfW zu beantragen.

In unserem Ratgeber gibt´s mehr Informationen zu Förderungen und Zuschüssen für Photovoltaikanlagen.

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Erste Bundesländer lockern Denkmalschutz bei PV-Anlagen

Immer mehr Bundesländer möchten den Zielkonflikt zwischen dem Ausbau der Solarenergie und dem Denkmalschutz entschärfen. Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Hessen haben den Weg für erneuerbare Energien in Altstadtbereichen und auf Kulturgütern bereits frei gemacht – andere Länder planen ebenfalls weitgehende Lockerungen. Neue Richtlinien in den reformierten Denkmalschutzgesetzen geben dann in der Regel die klare Empfehlung an die zuständigen „unteren Denkmalschutzbehörden“, dass Solaranlagen auf oder an denkmalgeschützten Gebäuden „in der Regel“ zu genehmigen sind, wenn sie keine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmals darstellen.

„Zahlreiche Eigentümerinnen und Eigentümer von Denkmälern wollen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und ihr Denkmal mit einer Solaranlage zukunftsfest machen“, so NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach bei der Bekanntgabe der Gesetzesnovelle im Sommer 2022. Mit neuen Entscheidungsleitlinien für die Denkmalbehörden trage das Land dem Rechnung. „Jedes Denkmal ist einzigartig und auch weiterhin bedarf es einer Einzelfallentscheidung“, fügte Scharrenbach gleichzeitig hinzu. Die Entscheidungsleitlinien stellten aber klar, unter welchen Bedingungen die Errichtung einer Solaranlage auf oder in der Nähe von Denkmälern zu ermöglichen ist. So seien Solaranlagen zu erlauben, die nicht vom öffentlichen Raum aus einsehbar sind oder nur geringfügig in das Erscheinungsbild eingreifen. Nach Möglichkeit seien farblich angepasste Solarziegel, Solarfolien oder in die Dachfläche integrierte Anlagen zu verwenden.

Auch in Baden-Württemberg hat die Politik die Weichen für ein neues Miteinander von Klimaschutz und Denkmalschutz gestellt. Nach den gelockerten Leitlinien sei die denkmalschutzrechtliche Genehmigung „regelmäßig zu erteilen“, heißt es. Nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung eines denkmalgeschützten Gebäudes komme künftig noch eine Ablehnung einer PV-Anlage in Betracht, erklärt Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen. „Viele Besitzer*innen denkmalgeschützter Gebäude, insbesondere auch die Kirchen, wollen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so Razavi. „Wir wollen Ermöglicher sein, keine Verhinderer. Und wir machen damit deutlich: Denkmalschutz und Klimaschutz schließen sich nicht aus, im Gegenteil: Der Erhalt und die Modernisierung denkmalgeschützter Gebäude ist Klimaschutz im besten Sinne.“

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Marburg fördert dachintegrierte PV-Anlagen

„Invisible Solar Rooftiles“: In den Terrakottaziegeln des italienischen Herstellers Dyaqua stecken Solarzellen.

In Hessen geht Marburg an der Lahn noch einen Schritt weiter: Die Universitätsstadt ist stolz auf ihre vielen Baudenkmale, etwa in der historischen Oberstadt. „Die Dachansichten aus der Luft oder vom Schloss aus betrachtet sind typisch für Marburg. Diese Ansichten sollen natürlich erhalten werden“, heißt es seitens der „unteren Denkmalschutzbehörde“. Marburg belohnt deshalb dachintegrierte Lösungen, bei denen möglichst auch die Farbe der Solarmodule zur vorhandenen Dacheindeckung passt, mit kommunalen Zuschlägen von bis zu 4.500 Euro.

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Wer stellt in Deutschland dachintegrierte Photovoltaik her?

Für Solarmodule nach dem Vorbild der stromerzeugenden Terrakottaziegel in Pompeji gibt es auch in Deutschland bereits zahlreiche Hersteller. Die Photovoltaikelemente ähneln optisch traditionell verwendeten Dachziegeln und Decksteinen und lassen sich beispielsweise unauffällig in natürliche Schieferdeckungen einfügen, wie sie in denkmalgeschützten Altstadtbereichen häufig vorzufinden sind. „Baukulturelles Erbe und moderne Technologie sind kein Widerspruch, wenn die Anlage funktionell ist und zum Bauwerk passt“, meint Frank Rummel, Geschäftsleiter des in der Eifel ansässigen Schieferproduzenten Rathscheck Schiefer.

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Deutsche Stiftung Denkmalschutz kritisiert Lockerungen

Auch wenn dachintegrierte Lösungen auf historischen Bestandsgebäuden zunehmend „unsichtbar“ sind: Aus Sicht zahlreicher Kritiker*innen und engagierter Denkmalschützer*innen ändert das nichts an der grundsätzlichen Forderung, schützenswerte Gebäude unverändert zu erhalten. Steffen Skudelny von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz etwa sieht einen drohenden „Verlust der Originalsubstanz“. Es gebe genug andere Häuser, die mit Solaranlagen bestückt werden könnten. „Das Denkmalschutzgesetz wird zum Denkmalnutzgesetz“, so Skudelny zu den Lockerungen in zahlreichen Bundesländern.

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