Natrium-Ionen-Akku: Was macht die Technologie so interessant?

Der chinesische Hersteller JAC produziert seit Dezember 2023 die ersten Elektroautos mit Natrium-Ionen-Akku in Serie. Die neue Technologie könnte einen Quantensprung für die Elektromobilität darstellen: Die Batterien sind günstiger, sicherer und weniger brennbar als Lithium-Ionen-Akkus. Grund genug, einen Blick auf die Technologie zu werfen.

Natrium-Ionen-Akkus bieten gegenüber herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien bemerkenswerte Vorteile. Die Ausgangsmaterialien sind reichlich vorhanden und kostengünstig abzubauen, die Herstellung ist weniger abhängig von seltenen und konfliktträchtigen Rohstoffen. Zudem könnten die Akkus aufgrund ihrer Zellchemie die Brandgefahr weiter senken. Doch es gibt einen entscheidenden Nachteil.


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JAC Yiwei: Erstes Elektroauto in Serie mit Natrium-Ionen-Akku

Markiert der JAC Yiwei EV den nächsten Quantensprung in der Elektromobilität? Es ist das weltweit erste in Großserie produzierte Auto, das mit einem Natrium-Ionen-Akku ausgestattet ist. Der Elektro-Kleinwagen läuft seit Ende 2023 in China vom Band und wird seit Jahresanfang ausgeliefert.

JAC ist zu 50 Prozent im Besitz der Volkswagen Group. Bereits im Februar 2023 kündigte das Unternehmen an, der erste Automobilhersteller zu sein, der ein Elektroauto mit einer lithiumfreien Natrium-Ionen-Batterie auf den Markt bringt. Das erste Modell, der Sehol E10X, hatte eine Batteriekapazität von 25 kWh, eine Energiedichte von 120 Wh/kg, eine schnelle Aufladegeschwindigkeit (von 10 Prozent auf 80 Prozent in 20 Minuten) und eine Reichweite von 252 km nach dem chinesischen CLTC-Zyklus. Mittlerweile wurde die Marke Sehol aufgegeben, der Hersteller labelte alle Autos zu JAC oder Yiwei um. Der in dem neuen Yiwei-Modell verbaute Natrium-Ionen-Akku stammt aus dem Sehol E10X.

JAC Yiwei EV

Der JAC Yiwei EV ist das weltweit erste in Serie gefertigte Elektroauto, das standardmäßig mit einem Natrium-Ionen-Akku ausgestattet ist (Bild: ©JAC).

Natrium-Ionen-Akkus: Bis zu 40 Prozent günstiger als Lithium-Akkus

Natrium-Ionen-Batterien sind keine revolutionäre Entwicklung der letzten Jahre, sondern werden bereits seit den 1980er Jahren entwickelt. Gleichwohl hat die Technologie in der Batterieindustrie erst jüngst wieder an Bedeutung gewonnen. Natrium-Ionen-Akkus stellen eine interessante Alternative zu den herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien bzw. der Weiterentwicklung LFP-Akkus dar. Der Grund: Sie sind günstiger, sicherer und weniger brennbar als die Lithium-Konkurrenz.

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Funktionsweise und Vorteile

Natrium-Ionen-Batterien funktionieren ähnlich wie Lithium-Ionen-Batterien, wobei Natrium aufgrund ähnlicher Eigenschaften anstelle von Lithium verwendet wird. Ein großer Vorteil dieser Technologie ist, dass das benötigte Material in Form von Natriumchlorid (Kochsalz) oder Natriumcarbonat (Soda) nahezu unbegrenzt und kostengünstig verfügbar ist. Dies macht Natrium zu einem leicht zugänglichen und potenziell skalierbaren Ausgangsrohstoff für Energiespeichersysteme aller Art.

Die neue Akkutechnologie bietet zudem nicht nur eine höhere Lebensdauer, sondern auch die Möglichkeit, brandunempfindlichere Batterien zu entwickeln. Die verwendeten Materialien sind nämlich nicht so reaktionsfreudig wie Lithium und arbeiten bei höheren Temperaturen weiter stabil: Das Risiko eines thermischen Durchgehens (einer Art Kettenreaktion, die zu Feuer oder Explosionen führen kann) ist geringer, demensprechend sinkt auch die Brandgefahr von Elektroautos weiter.

Herausforderungen und Nachteile

Ein wesentlicher Nachteil der Natrium-Ionen-Technologie ist ihre im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien geringere Speicherkapazität. Derzeit liegt die Energiedichte von Natrium-Ionen-Batterien zwischen 140 und 160 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg), während die besten Lithium-Ionen-Akkus bis zu 260 Wh/kg erreichen. Dies bedeutet, dass Natrium-Ionen-Batterien weniger Energie speichern können als vergleichbare Lithium-Ionen-Akkus. Oder größer und schwerer sein müssen, um dieselbe Kapazität zu erreichen. Daher liegt der Fokus der Forschung momentan vor allem darauf, die Energiedichte zu erhöhen.

BYD Seagull

Mit dem BYD Seagull kommt das nächste Elektroauto mit Natrium-Ionen-Akku auf den Markt (Bild: ©BYD).

Aktuelle Entwicklungen

In China haben Akku-Hersteller wie CATL oder der Autobauer BYD bereits kräftig in die Produktion von Natrium-Ionen-Akkus investiert. Doch auch verschiedene europäische Unternehmen wie der schwedische Batteriespezialist Northvolt und das französische Start-up Tiamat Energy sind in diesem Bereich aktiv. Allerdings haben sich chinesische Unternehmen einen deutlichen Vorsprung in der Entwicklung und Kommerzialisierung von Natrium-Ionen-Batterien erarbeitet. In China kann man erste Autos mit Natrium-Ionen-Akkus bereits kaufen. Darüber hinaus kommen auch fast 90 Prozent der Patente im Zusammenhang mit der Natrium-Technologie aus China.

Gleichwohl stehen deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dar, schätzt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) die Lage ein. Es gibt bedeutende Fortschritte in der Grundlagenforschung, und die Technologie ist nahe an der Marktreife. Deutschland verfügt zudem über das nötige Know-how in der Batterieforschung und -produktion. Auch eine starke Infrastruktur ist vorhanden, insbesondere entlang der Autobahn A4 von Westthüringen bis nach Ostsachsen. Über 200 Akteure in der Batterieforschung und -wirtschaft sind in dieser Region angesiedelt.

In dem Projekt “Vier-Volt-Natrium-Ionen-Batterie“ (4NiB) arbeitet das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) bereits mit drei Partnern an der Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien. Das ambitionierte Ziel ist nicht nur Lithium durch Natrium zu ersetzen, sondern darüber hinaus auch Bioabfälle in der Batteriezelle zu verwenden. Statt Kupferfolie und Graphit sollen alternative Kohlenstoffverbindungen zum Einsatz kommen. Diese können aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,35 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert.

JMEV EV3

Der JMEV EV3 verfügt ebenfalls über einen Natrium-Ionen-Akku (Bild: ©JMEV).

Kostenvorteil und zukünftige Perspektiven

Steht der Durchbruch von Natrium-Ionen-Akkus kurz bevor? Das Ausgangsmaterial ist weltweit preiswert verfügbar, was zu einem geschätzten Kostenvorteil von 30 bis 40 Prozent gegenüber Lithium-Ionen-Produkten führt. Trotz der geringeren Energiedichte könnte dies Natrium-Ionen-Batterien zu einer attraktiven Lösung für urbane Mobilitätslösungen wie Kleinwagen, E-Bikes und Busse, aber auch als Heimspeicher für PV-Anlagen machen. Ob die Natrium-Ionen-Technologie die Grundlage für möglichst viele günstige Elektroautos schafft, wird jedoch stark von den Preisen und der Lieferkette für Lithium-Ionen-Batteriematerialien abhängen.

Fazit: Natrium-Ionen-Akkus – Eine Technologie nimmt Fahrt auf

Wie Feststoffakkus könnten sich auch Natrium-Ionen-Batterien in Zukunft als vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien etablieren, vor allem aufgrund ihrer Kostenvorteile und einer nachhaltigeren Produktion. Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus erfordern sie auch keinen Einsatz von Kobalt oder Lithium, deren Abbau mit hohem Aufwand verbunden ist.

Trotz der Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Energiedichte, ist das kommerzielle Interesse an dieser Technologie groß. Nicht zuletzt auch aus dem Grund, weil die in Natrium-Ionen-Batterien verwendeten Materialien einfacher zu recyclen sind. Und die Entwicklung nimmt Fahrt auf: Mit dem BYD Seagull und dem JMEV EV3 haben zwei weitere chinesische Hersteller die nächsten Kleinwagen mit Natrium-Ionen-Akkus am Start.