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Fehlerhafte Berechnungen behinderten Windkraftausbau

Der Ausbau der Windenergie an Land gehört fest zum Fahrplan der Energiewende. Für die erfolgreiche Umsetzung von Windkraftprojekten ist ein breiter Rückhalt der Bevölkerung entscheidend. In den vergangenen Jahren sahen sich Windenergie-Planer bisweilen von Bürgerinitiativen und Windenergie-Gegnern mit den Vorwürfen konfrontiert, die von ihnen projektierten Windkraftanlagen würden mit Infraschall Anwohner belasten. Berufen konnten sich Windkraft-Gegner auf eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Aufgrund eines Rechen- und Normierungsfehlers war dort ein ungewöhnlich hoher Schalldruckwert angegeben.

Der Bayreuther Wissenschaftler Dr. Stefan Holzheu hat den Infraschall einer Windkraftanlage am Autobahndreieck Bayreuth/Kulmbach bei Harsdorf mehrmals nachgemessen – und kam zu völlig anderen Ergebnissen. Er konnte nachweisen, dass die Annahmen der BGR auf einem groben Rechenfehler beruhten. Im April 2021 hat sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für den Fehler der ihm unterstellten Behörde entschuldigt.

Im Gespräch mit Dr. Stefan Holzheu, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung an der Universität Bayreuth

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Hat den Berechnungsfehler in der Infraschall-Studie der BGR aufgedeckt: Dr. Stefan Holzheu, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung an der Universität Bayreuth (Foto: Universität Bayreuth).

Herr Dr. Holzheu, Infraschall von Windkraft­anlagen ist viel niedriger als von der BGR jahrelang behauptet. Wer nah an Windkraft­anlagen wohnt, macht sich möglicherweise trotzdem Sorgen über Infraschall. Berechtigt?

Nein, die Schallpegel sind harmlos und letztlich weit unter denen, die etwa beim Autofahren entstehen. Die Leute können sich auch direkt unter die Anlage stellen – und nichts wird passieren. Von der Schall­intensität ist bis zu einer überhaupt denkbaren Wahrnehmung immer noch mindestens ein Faktor Tausend dazwischen. Noch absurder ist es, von physikalischen Zellschädigungen durch Infraschall aus Windkraftanlagen zu sprechen, wie es leider immer noch geschieht. Woher soll denn die Kraft herkommen, die da auf die Zellen wirken soll? Und warum ist dann der Infraschall beim Autofahren, der tausendfach intensiver ist, beispielsweise kein Problem für Menschen? Das passt einfach nicht zusammen, was noch immer an Behauptungen rund um Infraschall von Windkraftanlagen kursiert.

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Wärmepumpen, Kühlschränke und Waschmaschinen beispielsweise erzeugen auch Infraschall. Sind sie ebenfalls harmlos?

Ja. Wärmepumpen emittieren fast keinen Infraschall, da sind keine auffälligen Spitzen messbar. Habe ich selbst auch nachgemessen. Kühlschränke und Lüftungsanlagen sind auch ständig im Infraschallbereich – was ja auch praktisch ist, weil wir den Infraschall nicht hören. Grundsätzlich kann Infraschall aber eine Wirkung verursachen, wenn denn die Pegel entsprechend hoch sind. Wenn ich also in den Bereich von 120, 130 oder 140 Dezibel (dB) komme, dann können durchaus Effekte entstehen, aber immer zuerst am Ohr. Unseren Zellen in den inneren Organen wären auch höhere Belastung dagegen egal. Zum Vergleich: Bei einer Windkraftanlage reden wir von rund 60 dB nichthörbarem Infraschall. Zwischen 140 dB und 60 dB ist ein Faktor von 100 Millionen, denn die Dezibel-Skala ist logarithmisch. Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich eine Schädigung irgendwelcher Zellen bei 60 dB ausschließen.

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Im Innenraum von Autos ist der Infraschall tausendfach intensiver als der von Windkraftanlagen – und kein Problem für den Menschen. Dennoch kursieren weiterhin viele falsche Behauptungen rund um Infraschall von Windkraftanlagen

Windkraftgegner führen bisweilen an, dass Anwohner von Windparks angeblich sehr wohl den Infraschall wahrnehmen. Kann das sein?

Das eine ist die Wissenschaft, die Infraschall sehr genau messen und einordnen kann. Das andere ist die Wahrnehmung der Menschen. Da ist die häufigste Fehlinterpretation die, dass behauptet wird, man könne die Pegel zwar nicht hören, aber spüren. Wissenschaftlich gibt es jedoch keinen einzigen Versuch, der diese Behauptung stützt. Das Ohr ist und bleibt auch für Infraschall das empfindlichste Organ, es ist der Sensor des Menschen für Schall schlechthin. Die menschliche Wahrnehmungsschwelle von Infraschall liegt jedoch zwischen 30 und 60 dB über den Pegeln, die an einem Windrad erreicht werden. In keinem Doppelblindversuch konnte bislang nachgewiesen werden, dass derart niedrige Infraschallpegel wie bei einem Windrad für das menschliche Ohr überhaupt wahrnehmbar sind. Aber es gibt Infraschall, den wir sehr wohl hören: Wer während einer schnellen Autofahrt ein Fenster öffnet, hört ein Wummern. Das ist Infraschall. Außer dem Ohr reagieren alle anderen Körperzellen sehr unempfindlich auf Schall. Wer am Flughafen auf dem Rollfeld arbeitet, trägt auch nur einen Gehörschutz, um sich gegen hohe und unangenehme Schallpegel zu schützen, die von den Flugzeugturbinen ausgehen.

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Was ist mit angeblichen Symptomen von Windparkanwohnern?

Das Traurige ist, dass die Leiden dieser sehr kleinen Gruppe von Menschen real sind. Die Ursache ist jedoch definitiv nicht der Infraschall, sondern eher die Angst davor. In der Wissenschaft kennt man den Nocebo-Effekt, bei dem eine sehr negative Erwartungshaltung psychosomatische Erkrankungen hervorrufen kann. Es gibt auch einen sehr überzeugenden Versuch von neuseeländischen Wissenschaftlern, der diesen Effekt bereits 2014 belegte. Oft ist offenbar auch die wirtschaftliche Beteiligung ausschlaggebend: Wer selbst von Anlagen auf irgendeine Weise profitiert, fühlt sich nicht gestört. Wer wiederum nicht wirtschaftlich beteiligt ist, fühlt sich beeinträchtigt. Aber lassen Sie mich das ganze Thema einmal allgemein aus meiner Sicht als Wissenschaftler betrachten: Wenn es so wäre, dass ich eine gesundheitsschädliche Wirkung von Windkraftanlagen in einwandfreien Doppelblindversuchen nachweisen könnte, würde ich es selbstverständlich tun. Wir Wissenschaftler suchen ja die Wahrheit. Könnte ich zeigen, dass die derzeit gebauten Windkraftanlagen gesundheitsschädliche Wirkungen auf den Menschen haben, wäre ich weltweit schlagartig sehr bekannt. Aber eine schädigende Wirkung ist eben wissenschaftlich seriös nicht nachweisbar.

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