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Windräder werden immer höher
Windkraftanlagen werden dort gebaut, wo viel Wind weht. Je höher sie sind, desto mehr Strom erzeugen sie. In den vergangenen Jahren haben Windräder daher einen gewaltigen Technologiesprung gemacht: Heutige Anlagen haben im Durchschnitt eine Nabenhöhe von rund 150 Metern – je nach Hersteller, Anlagentyp und Standort; ihre Rotorblätter sind im Mittel 60 bis 90 Meter lang. Dadurch sind moderne Windräder deutlich leistungsstärker als ältere Anlagen – sie bringen auf gleicher Fläche, bei gleichen Windverhältnissen mehr Ertrag. Das ist physikalisch begründet: verdoppelt sich die Rotorblattlänge, vervierfacht sich so die Rotorfläche und der Ertrag steigt.
Doch größere Windräder bringen auch neue Herausforderungen mit sich. Vor allem der Transport der Bauteile von ihrem Herstellungs- zu ihrem Bestimmungsort wird immer komplizierter und teurer.
Quellen: BWE, *www.wind-energie.de
Transport nur mit Schwerlast-LKW möglich
Aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts werden Rotorblätter, ebenso wie die anderen Bauteile eines Windrads, auf speziellen Schwerlasttransportern an ihren Zielort gefahren. Für jedes Rotorblatt wird ein eigener Truck benötigt. Im Fall des EnBW-Windparks Prötzel II, 50 km nordöstlich von Berlin gelegen, wurden 27 Rotorblätter transportiert, jedes davon 62,5 Meter lang. Mit Ladung hatte jeder Truck eine Länge von über 90 Metern.
Neben den Bauteilen für das Windrad werden oft auch für die zum Aufbau erforderlichen Baumaschinen und Kräne Schwerlasttransporte benötigt. Auch hier gilt: Je höher das Windrad, desto größer die dafür benötigten Maschinen. In Summe, so schätzt der Branchenverband der Großraum- und Schwerlastunternehmen VI GST, sind für den geplanten Ausbau der Onshore-Windenergie ab 2025 pro Jahr bis zu 60.000 Schwerlasttransporte nötig.
Voraussetzung ist die Streckenstudie
Die meisten Straßen in Deutschland sind nicht für die Dimensionen eines Windrads ausgelegt. Jeder Abschnitt der möglichen Strecke wird deshalb von den Transportprofis im Vorfeld inspiziert und akribisch geplant. Daraus entsteht am Ende die sogenannte Streckenstudie – sie legt fest, welche Route der Konvoi nimmt, welche Umbauarbeiten erforderlich und welche Genehmigungen dafür einzuholen sind. Durchgeführt wird sie vom Hersteller der Windkraftanlage, denn er weiß ganz genau, wie die einzelnen Bauteile aussehen. Die Strecke wird dabei stets für das längste Teil – also die Rotorblätter - geplant. Das heißt: Schaffen die Rotorblätter eine Kurve, dann sind die übrigen Bauteile gar kein Problem.
Windradtransport muss genehmigt werden
Schwerlasttransporte sind in Deutschland nur mit vorheriger Genehmigung erlaubt und müssen durch spezielle Fahrzeuge oder die Polizei begleitet werden. Hinter jedem Transport steckt daher ein immenser Planungsaufwand: Meist dauert es mehrere Wochen, bis eine Genehmigung der Behörden vorliegt. In der Regel länger. Das hängt auch davon ab, welche Strecke der Transporter nimmt, ob Autobahnen und Straßen dafür gesperrt werden müssen und durch wie viele Bundesländer die Route führt. Denn jedes Bundesland hat eine Vielzahl eigener Vorschriften und bedarf separater Genehmigungen. Zusätzlich müssen die betroffenen Kommunen einbezogen werden. Gleiches gilt für Anwohner*innen, deren Grundstücke man temporär für den Transport benötigt. Auch wenn diese nur wenige Zentimeter befahren werden, braucht es im Vorfeld das Einverständnis der Eigentümer.
Sollte der beantragte Schwertransport am Abfahrtstag dann nur wenige Zentimeter länger oder kürzer werden oder das Gewicht nur wenige Kilogramm abweichen, erlischt die Genehmigung sofort. Für Hersteller und Transportunternehmen ein hohes Risiko.
Bilderstrecke: Transport eines Rotorblatts in Bad Wildbad
Am Umladeplatz werden die einzelnen Komponenten auf die Schwertransporter geladen. (Quelle: EnBW)
Das erste Rotorblatt steht zum Transport bereit. (Quelle: EnBW)
Der Transport mit dem Selbstfahrer geht los. (Quelle: EnBW)
Begleitfahrzeuge gewährleisten die Sicherheit auf der Straße. (Quelle: EnBW)
Kreisverkehre werden oft halb abgetragen und danach wieder hergestellt. (Quelle: EnBW)
Logistisches Feingefühl ist hier gefragt. (Quelle: EnBW)
Zum Überschwenken von Häusern oder Bäumen wird das Rotorblatt auf dem Transporter aufgerichtet. (Quelle: EnBW)
Spektakuläre Pause für die Kinder aus der Grundschule. (Quelle: EnBW)
Im Schritttempo durch die Ortschaften. (Quelle: EnBW)
Beeindruckende Dimensionen. (Quelle: EnBW)
Das Begleitfahrzeug sorgt für angemessenen Sicherheitsabstand zum Schwertransporter. (Quelle: EnBW)
Mit dem Bladelifter platzsparend durch die Kurven im Wald. (Quelle: EnBW)
Sicher und unversehrt auf der Baustelle angekommen. (Quelle: EnBW)
Infrastruktur: Herausforderungen beim Windradtransport
Kurven, Kehren, Kreisverkehre – für jeden Windradtransport eine logistische Herausforderung. Nur selten können die mehr als 90 Meter langen Schwerlasttransporter den direkten Weg zu ihrem Bestimmungsort nehmen. Die meisten Straßen sind zu eng oder in schlechtem Zustand – ohne Umbaumaßnahmen und Straßensperrungen ginge es nicht. Dann werden Ampeln und Verkehrsschilder ab- und wieder aufgebaut, Kreisverkehre kurzzeitig außer Kraft gesetzt – und in seltenen Fällen sogar behelfsmäßige Autobahnausfahrten errichtet. Oder es müssen Leitpfosten entfernt und die Spur mit Eisenplatten verbreitert werden. Sobald die Kolonne aus Begleitfahrzeugen und überlangen LKW durch ist, wird alles wieder zurückgebaut – so schnell wie möglich.
Ein Windradtransport dauert seine Zeit. Das liegt an der Komplexität des Transports, aber auch an der Tatsache, dass die meisten Transporte nur nachts zwischen 22 und 6 Uhr stattfinden dürfen. Aber es gibt Ausnahmen: für den EnBW-Windpark Kälbling nahe Bad Wildbad wurden die letzten 15 Kilometer der Transportstrecke vom Umladeplatz zum Bestimmungsort tagsüber zurückgelegt. Rund eineinhalb Wochen dauerte der Transport – durchschnittliche Geschwindigkeit: sechs bis sieben Stundenkilometer.
Im Windpark Kälbling wurden zwei Windkraftanlagen vom Typ Vestas V162 gebaut. Sie haben jeweils einen Rotordurchmesser von 162 Meter und einer Nabenhöhe von 166 Meter. Ab Juli sollen sie Strom für rechnerisch rund 5.600 Haushalte liefern.
Was ein Windradtransport kostet
Umbaumaßnahmen, gewaltige Umwege: All das kostet Zeit und Geld. Der Transport eines gesamten Windrades kann am Ende durchaus mehr als eine Million Euro kosten. Aber auch die Genehmigungen machen den Transport aufwendig. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat ausgerechnet: allein durch beschleunigte und verschlankte Genehmigungsverfahren könnte auf rund 90.000 Anträge pro Jahr verzichten werden - und so bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr Kosten eingespart werden. Andere Länder machen es vor: In den Niederlanden dauern Genehmigungsverfahren gerade mal ein bis fünf Tage und können auf digitalem Weg beantragt werden.
Tatsächlich sind die Schwierigkeiten und Hürden, die bei einem Windradtransport überwunden werden müssen, aber nicht größer als bei anderen vergleichbaren großen Infrastrukturprojekten wie Brücken- und Tunnelbau, dem Bau von Flughäfen und Bahngleisen oder Industrieanlagen. Mit Blick auf die Klimaziele, die sich die Bundesregierung gesteckt hat – bis 2030 ein Ausbauziel der Onshore-Windenergie von 115.000 MW vor, was einem jährlichen Bruttozubau von etwa 10.000 MW Windenergieleistung entspricht – gilt die Devise: Wollen wir die Energiewende schaffen, dann zählt jedes einzelne Windrad.