Horn statt Hupe, Brücke statt Cockpit – Nina lernt Seemännisch
Einmal aufs Knöpfchen drücken, und schon röhrt ein durchdringender Ton über den Hafen in Kappeln in Schleswig-Holstein. Nina Kapischke von der Unternehmenskommunikation der EnBW zuckt gehörig zusammen. „Irre laut, so eine Schiffshupe!“ – „Wir nennen das Horn“, korrigiert Kapitän Jan Fölster freundlich lächelnd. Er hat viel Geduld mit den Landratten, die kein „seemännisch“ sprechen, und bringt Nina gleich noch eine weitere Vokabel bei: Der Raum, von dem aus der Kapitän das Schiff steuert, und wo sich alle technischen Navigationsgeräte wie das Radargerät und die elektronische Seekarte befinden, heißt nicht etwa Cockpit, sondern „Brücke“.
Besonderheit: Federung
Die Impulse ist auf den ersten Blick ein normales Transportschiff, das Platz für 18 Personen bietet. Was sie außergewöhnlich macht, ist die hochinnovative, in Australien entwickelte Federungstechnik, die ähnlich funktioniert wie bei einem Geländewagen: Das heißt, der Rumpf des Schiffes bewegt sich auf und ab und gleicht den Wellengang aus, der gesamte obere Teil – also der Bereich, in dem sich die Mannschaft aufhält – bleibt nahezu unbeweglich. „Deshalb ist das Schiff selbst das beste Mittel gegen Seekrankheit“, meint Jan. Denn um zum Windpark Baltic 2 zu gelangen, ist man Hin und Zurück fast drei Stunden auf hoher See unterwegs. Da ist starker Wellengang normal, macht die Überfahrt aber zum Teil sehr ungemütlich für die Servicetechniker*innen und die Crew – trotz speziellem Hochsee-Training, das alle vor Jobbeginn absolvieren.
Mit dem Jojo auf die Plattform
Neben der Tatsache, dass das Federungssystem für weniger Gesundheitsbeeinträchtigungen sorgt, spielt ein anderer Aspekt allerdings eine mindestens gleich wichtige Rolle: Die Techniker*innen müssen, am Windpark angekommen, zu ihrem Arbeitsplatz übersteigen. Wie genau, erklärt Jan:“ Der Techniker wird mit einem Seil, das wir Jojo nennen, gesichert – das wird in einen Haken an seinem Anzug eingehängt.“ Und dann kommt der Part für die Mutigen: Die Techniker*innen müssen einen großen Schritt von der Impulse auf die Plattform auf hoher See machen. Einleuchtend, dass es viel sicherer und ungefährlicher ist, wenn das Transportschiff die Wellenbewegungen ausgleicht und so stabil wie möglich ist. Jan erzählt: „Wir haben in Simulationen schon Wellen bis zu 2,10 m Höhe sicher geschafft.“ Die Impulse ist weltweit der erste Industrie-Katamaran mit einem derartigen System im kommerziellen Einsatz.
Ein riesiger Sieblöffel rettet den Mann über Bord
Auf dem Achterdeck, dem hinteren Teil des Schiffes, zeigt Jan Nina schließlich noch eine der wichtigsten Stellen: Die sogenannte „Mann-über-Bord-Station“. Er erklärt: „Im Falle eines Falles können wir hier Menschen aus dem Wasser retten.“ Ganz wichtig dabei ist, die über Bord gegangene Person nicht aufrecht aus dem Wasser zu ziehen, sondern in einer liegenden Position. Aufgrund der eisigen Wassertemperaturen würde sie ansonsten sofort kollabieren. „Deshalb haben wir eine Art riesigen Sieblöffel, mit dem wir denjenigen aus der See fischen können“, meint Jan. Aber natürlich hoffen alle, dass der Löffel niemals zum Einsatz kommt.
Nina hat am Ende keine Klabautermänner auf der „Impulse“ getroffen, zum Glück! Aber sie hat große Lust einmal mit raus in den Offshore-Windpark zu fahren, jetzt wo sie weiß, dass sie dafür keine Spucktüte brauchen wird.
Vom Festland zum Windpark: wie Monteure zum Arbeitsplatz kommen
Die „Impulse“ ist aber nicht das einzige EnBW-Schiff: Die Bibby Wavemaster Horizon, ein 90 Meter langes, hoch technologisiertes Spezialschiff, sorgt für den reibungslosen Betrieb und Wartung der beiden Windparks EnBW Hohe See und Albatros in der Nordsee.
Es bietet Platz für eine bis zu 60 Mann starke Mannschaft bestehend aus Schiffscrew und Servicetechnikern. Dieses Schiff ist quasi eine schwimmende Servicestation einschließlich Werkstatt, Lager und Unterkunft. Die Techniker werden alle zwei Wochen lang auf See bleiben und arbeiten, bis sie wieder per Helikopter an Land gebracht werden.
Thialf ist der leistungsfähigste Schwimmkran der Welt. Die Crews, die die beiden Hochseewindparks Albatros und Hohe See in der Nordsee gebaut haben, wurden mittels Helikopter auf das Schiff geflogen und blieben mehrere Monate am Stück dort. An Bord gibt es deshalb Tischkicker, ein Bordkino und einen Fitnessraum. Die Kräne der Thialf sind 120 m hoch. Sie besitzt sechs Dieselmotoren mit einer Leistung von 300 Mittelklassewagen.
Die EnBW hat gemeinsam mit dem DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) ein Forschungsprojekt (Laufzeit bis 2025), in dem sogenannte „Offshore Logistics Drones“ erprobt werden. Der Vorteil: Drohnen können Werkzeug, Material und auf lange Sicht sogar Wartungspersonal schnell und sicher zum Windpark bringen. Die Drohnen sind dabei sogenannte automatisierte Schwerlastdrohnen, die explizit für den effizienbten Betrieb und die Wartung von Offshore-Windparks entwickelt werden sollen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Forschungsprojekt.