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ECO*Journal

Wie Smart Grids unsere Energieversorgung verbessern

Erzeugung und Verbrauch von Strom verändern sich rasant: Immer mehr Haushalte speisen selbst produzierten Solarstrom ins Netz ein, gleichzeitig wächst der Strombedarf durch Wärmepumpen und Elektroautos. Smart Grids – intelligente Stromnetze – sind ein wichtiger Baustein zur Lösung dieser neuen Anforderungen. Sie helfen dabei, das Netz auch in Zukunft stabil zu halten.

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Das erwartet Sie in diesem Artikel

Was ist ein Smart Grid?

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Ein Smart Grid – oder intelligentes Stromnetz – ist ein Stromnetz, das nicht nur Energie aufnimmt und verteilt, sondern auch kommuniziert. Es nutzt digitale Technologien, um Stromerzeugung, Netzbetrieb, Speicherung und Verbrauch miteinander zu koordinieren. Ziel ist es, das Netz flexibler, effizienter und stabiler zu machen. Das ist wichtig, da ein Großteil des Stroms nicht mehr zentral in Kraftwerken erzeugt wird, sondern dezentral in Wind- und Solarparks und auf tausenden Hausdächern. Die Folge ist, dass Strom nicht mehr nur in eine Richtung fließt: Das Netz muss auf bidirektionale Energieflüsse sowie unvorhersehbare Einspeisungen reagieren und diese zuverlässig steuern.

Smart Grids gelten als eine der Schlüsseltechnologien für die Umsetzung der Energiewende. Denn das klassische Stromnetz, wie wir es kennen, verändert sich derzeit rasant – weg vom traditionellen Versorgungsmodell, hin zu einem flexiblen System mit vielen Akteur*innen.

Warum benötigen wir intelligente Stromnetze?

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Wenn viele E-Autos laden, steigt die Komplexität im Netz. (Foto: Netze BW)

Mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien – im Jahr 2024 wurden bereits rund 56 Prozent des deutschen Strombedarfs durch Sonne, Wind und Co. gedeckt – wächst auch die Komplexität im Netz. Erneuerbare Energien sind wetterabhängig und erzeugen oft mehr oder weniger Strom, als gerade gebraucht wird. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen: Wenn beispielsweise viele Haushalte nach Feierabend gleichzeitig ihr E-Auto laden, entstehen neue Lastspitzen. Das klassische Stromnetz war eine Einbahnstraße – Strom floss vom Kraftwerk zu den Haushalten. Heute sind viele Menschen dagegen zugleich Verbraucher*innen und Erzeuger*innen, sogenannte „Prosumer“. Das Netz von morgen muss deshalb in beide Richtungen zuverlässig funktionieren. Ein intelligentes Netz weiß, wann, wo und wie viel Strom fließt – und kann in Echtzeit darauf reagieren.

Was sind Prosumer?

Ein Prosumer ist eine Kombination aus „Produzent“ und „Konsument“ – also jemand, der nicht nur Energie (oder andere Güter) verbraucht, sondern auch selbst produziert. In der Energiewelt heißt das meist: Eine Person (oder ein Haushalt) verbraucht Strom und erzeugt gleichzeitig welchen – etwa mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Was nicht selbst verbraucht wird, fließt meist ins Netz.

Wie funktioniert ein Smart Grid in der Praxis?

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Ein Smart Grid verbindet alle Komponenten des Stromsystems miteinander – von der Solaranlage auf dem Dach über Batteriespeicher im Keller bis zur Ladesäule für E-Mobilität. Mithilfe digitaler Stromzähler („Smart Meter“) und moderner Kommunikationstechnologie fließen Daten in alle Richtungen – vergleichbar mit einem „Internet der Energie“. So kann das Netz der Zukunft in Echtzeit erkennen, wann zu viel oder zu wenig Strom eingespeist oder verbraucht wird. Intelligente Steuerungen gleichen diese Schwankungen aus. Dabei kommt teilweise Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz, um Muster im Energiefluss zu erkennen, Engpässe vorherzusagen und automatisch gegenzusteuern. In Zukunft könnten sogar E-Autos als mobile Stromspeicher dienen: Sie speichern Energie, wenn zu viel produziert wird, und geben sie bei Bedarf wieder ins Netz ab.

Was ist ein Engpass im Stromnetz?

Ein Engpass entsteht, wenn über eine Leitung oder einen Netzabschnitt mehr Strom fließen soll, als physikalisch möglich ist. Dann droht eine Überlastung. Um das Netz stabil zu halten, müssen Stromflüsse umgeleitet, Erzeuger gedrosselt oder flexible Verbraucher gesteuert werden. Um Netzüberlastungen zu vermeiden, erhalten Betreiber*innen neu installierter Solaranlagen zu Zeiten der Überproduktion von erneuerbaren Energien seit Februar 2025 keine Einspeisevergütung mehr („Solarspitzengesetz“). Stattdessen sollen sie ihren erzeugten Solarstrom in Zeiten des Überschusses speichern oder selbst verbrauchen.

Was ist für ein Smart Grid notwendig?

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Damit ein Smart Grid funktioniert, braucht es verschiedene technische Komponenten, die reibungslos zusammenspielen:

  • Smarte Stromzähler (Smart Meter): Sie messen Stromflüsse in Echtzeit und machen den Energieverbrauch transparent. Ab 2025 werden sie für viele Verbraucher*innen verpflichtend, die flächendeckende Umrüstung soll bis spätestens 2032 abgeschlossen sein.
  • Digitale Kommunikationsnetze: Sie verbinden Haushalte, Stromlieferanten, Netzbetreiber, Erzeugungsanlagen sowie intelligente Ortsnetzstationen und ermöglichen so einen sicheren, schnellen Datenaustausch in Echtzeit.
  • Intelligente Steuerungssysteme: Sie analysieren Daten, erkennen Lastspitzen oder Überkapazitäten und steuern flexibel Erzeugung, Verbrauch und Speicherung – automatisiert oder über Preissignale, auf die Geräte oder Nutzer*innen reagieren.
  • Speicherkapazitäten und flexible Lasten: Batteriespeicher sowie steuerbare Verbraucher wie E-Autos oder Wärmepumpen helfen, Strom zeitlich zu verschieben und das Netz zu entlasten.

Ein wichtiger Baustein ist außerdem die Einführung dynamischer Stromtarife: Stromanbieter müssen ab 2025 entsprechende Angebote bereitstellen. So können Verbraucher*innen ihren Stromverbrauch – etwa fürs Laden des E-Autos – gezielt in Zeiten mit hoher Erzeugung aus erneuerbaren Energien verlagern. Entscheidend ist zudem, dass alle beteiligten Geräte und Systeme „Smart Grid Ready“ sind. Dafür müssen sie über standardisierte Schnittstellen verfügen, um miteinander kommunizieren und auf Signale reagieren zu können.

Welche Vorteile bringt ein Smart Grid?

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Ein intelligentes Stromnetz kann die Energieversorgung effizienter, stabiler und klimafreundlicher machen. Es ermöglicht die bestmögliche Nutzung von erneuerbarem Strom, reduziert Netzengpässe und gibt Verbraucher*innen mehr Kontrolle über ihren Energieverbrauch.

Ein Smart Grid macht es zudem leichter, neue Lösungen einzubinden – zum Beispiel Elektroautos, die Strom nicht nur laden, sondern auch zurück ins Netz geben. Verbraucher*innen, die ihren Stromverbrauch in günstige Stunden verlagern oder selbst erzeugten Solarstrom clever nutzen, zahlen weniger für jede Kilowattstunde. Manche Haushalte verdienen im Smart Grid sogar zusätzlich, wenn sie gespeicherten Strom bei hoher Nachfrage wieder einspeisen.

Welche Herausforderungen gibt es beim Ausbau?

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Der klassische Stromzähler mit Drehscheibe hat bald ausgedient. Bis 2032 sollen alle Haushalte Smart Meter erhalten. (Foto: Adobe Stock)

Die Umstellung auf ein Smart Grid ist komplex – vergleichbar mit einer Operation am offenen Herzen. Netzbetreiber und Energieversorger bauen die Infrastruktur im laufenden Betrieb Schritt für Schritt um. Dafür sind erhebliche Investitionen und eine enge Zusammenarbeit von Politik, Industrie, Forschung und Gesellschaft nötig. Die deutschen Netzbetreiber schätzen, dass für den Umbau zu intelligenten Stromnetzen bis 2030 insgesamt rund 255 Milliarden Euro in den Netzausbau und die gesamte notwendige Infrastruktur investiert werden müssten. Ein Teil davon ist der Rollout von intelligenten Stromzählern (Smart Meter). Bereits 2014 kalkulierte eine Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena), dass die flächendeckende Einführung von Smart Metern an rund 50 Millionen Messstellen einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag kosten wird.

Was sind digitale, was smarte Zähler?

Ein digitaler Stromzähler zeigt den Verbrauch auf einem Display an und ersetzt den alten analogen Zähler. Wer ihn nutzt, liest die Werte weiterhin selbst ab – zum Beispiel einmal im Jahr. Ein Smart Meter geht einen Schritt weiter: Er misst nicht nur den Verbrauch, sondern sendet die Daten automatisch und sicher an den Netzbetreiber – meist täglich.

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Bislang läuft der Smart-Meter-Rollout in Deutschland eher schleppend an. Ende 2024 waren laut Bundesnetzagentur hierzulande rund 1,16 Millionen Smart Meter installiert – das entspricht erst 2,23 Prozent aller Stromzähler. Zum Vergleich: In Ländern wie Italien, Schweden oder Frankreich sind bereits um die 90 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgestattet.

Einer der Gründe für den hinkenden Ausbau der Smart-Grid-Infrastruktur ist, dass Deutschland auf eine sehr sichere, komplexe Systemarchitektur mit hohen Datenschutzstandards setzt. Die strengen Sicherheitsanforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führten dazu, dass lange nur wenige zugelassene Geräte auf dem Markt waren. Das begrenzte Angebot verteuerte die Geräte und bremste den Rollout.

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Quelle: Bundesnetzagentur

Wie erprobt die EnBW Smart Grids in der Praxis?

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Ein intelligentes Stromnetz kann auch hohe Anteile an Solarstrom bewältigen. (Foto: Netze BW)

Wie ein intelligentes Verteilnetz funktionieren kann, hat das von der EnBW-Tochter Netze BW koordinierte Projekt flexQgrid gezeigt. In der Gemeinde Freiamt im Schwarzwald hat die Netze BW in einem 17-monatigen Feldtest erprobt, wie sich ein lokales Stromnetz mit hohem Anteil an Solarstrom zuverlässig betreiben lässt. Gemeinsam mit Forschungspartnern, Technologiefirmen und den Bürger*innen vor Ort wurde ein intelligentes Steuerungssystem eingeführt, das Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen und E-Autos vernetzt und flexibel steuert. 41 Haushalte beteiligten sich freiwillig und stellten ihre Anlagen zur Verfügung.

Das intelligente Netz reagierte automatisch auf Engpässe – zum Beispiel, indem es Ladevorgänge von E-Autos verschob oder Batteriespeicher gezielt einsetzte. Dank eines „Netzampel“-Systems ließen sich kritische Situationen frühzeitig erkennen und entschärfen. Die Ergebnisse zeigen: Auch in einem kleinen Ort wie Freiamt lässt sich ein modernes Smart Grid realisieren, das den notwendigen Netzausbau sinnvoll ergänzen kann.

„Der Feldversuch in Freiamt hat uns wichtige Impulse für die Weiterentwicklung zukunftsfähiger Stromnetze geliefert“, erklärt Carmen Schantl, Teamleiterin Infrastruktur bei der Netze BW. „Das Projekt hat gezeigt, dass intelligente Netze nicht nur technisch funktionieren können, sondern auch von den Menschen akzeptiert werden – vorausgesetzt, der Nutzen ist für sie klar erkennbar.“

Wann kommen Smart Grids?

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Die Grundlagen für intelligente Stromnetze sind gelegt – jetzt beginnt die Umsetzung. Die Erkenntnisse aus dem Projekt flexQgrid der Netze BW sind bereits in zukunftsorientierte Netzentwicklungsstrategien und konkrete Vorhaben eingeflossen. Auch gesetzlich hat sich einiges bewegt: So erlaubt es der zum Jahresbeginn 2024 angepasste § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) allen Netzbetreiber*innen, die Leistung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen vorübergehend zu reduzieren, um Überlastungen des Netzes zu vermeiden. „Die Möglichkeit zur Steuerung wird voraussichtlich mit der zunehmenden Verbreitung von Smart Metern zeitnah Realität“, so Schantl.

Bis Verbraucher*innen ihr Verhalten mithilfe verlässlicher Prognosen zur Stromerzeugung in Smart Grids so anpassen können, dass potenzielle Netzengpässe gar nicht erst entstehen, werde dagegen voraussichtlich noch einige Zeit vergehen. „Ein intelligentes, digitales Stromnetz entsteht nicht von heute auf morgen – aber es bietet enorme Chancen für eine stabile, nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung.“

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