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Strommasten, Erdkabel, Umspannstationen und Transformatoren sorgen für den ständigen Stromfluss zum Betrieb wie zum Wohngebäude. Damit an der Steckdose Spannung anliegt, muss vorher eine Menge passieren – und das ständig. Mit der Energiewende hat ein neues Zeitalter für das Stromnetz begonnen. Ertüchtigte und neue Leitungen müssen Elektrizität von Windenergieanlagen aus dem windreichen Norden in die Ballungsgebiete im Süden transportieren.
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Ausbau zum smarten Netz

Das Stromnetz wird „smart“ oder „intelligent“ – was bedeutet das? Es geht nicht mehr nur um den „einfachen“ Transport von Elektrizität von einem zentralen Erzeuger (Kraftwerk) zu den angeschlossenen Nutzern. Denn es gibt immer mehr dezentrale Erzeuger, die ihren Strom nicht auf der Ebene der Hochspannung einspeisen, sondern in die Mittel- oder Niederspannung der örtlichen Verteilnetze (Windenergie-, Solar- und Biomasseanlagen).

Dies so zu regeln, dass die Netzstabilität stets erhalten bleibt, erfordert neue Steuertechniken. Sie basieren auf exakten Daten der einspeisenden Anlagen – ob klein oder groß. Computer in den Schaltzentralen errechnen daraus die geeigneten Maßnahmen. Neue, sogenannte regelbare Ortsnetztransformatoren, kurz rONT, sowie Längsregler setzen diese um. Mit ihnen kann auf der örtlichen Ebene die Einspeisung erneuerbarer Energien je nach Situation flexibel gesteuert werden. Denn mal bläst zu viel Wind, mal zu wenig; mal scheint zu viel Sonne, mal zu wenig.

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Windreicher Norden, energiehungriger Süden

Die Erneuerbaren Energien stellen das Stromsystem also vor neue Anforderungen. Damit die Versorgung der Menschen im Land stets sichergestellt ist, werden Leitungen ausgebaut und verstärkt. Vor allem im Norden Deutschlands wird viel Energie zum Beispiel durch Windkraft erzeugt, im Süden hingegen gibt es einen hohen Energiebedarf der Industrie. Aus diesem Grund braucht es Leitungen, die den Windstrom von Norden nach Süden transportieren. Andererseits muss Energie auch auf Ebene der Mittel- und Niederspannung besser gemanagt werden. Dabei spielen zunehmend digitale, intelligente Stromzähler (Smart Meter) eine Rolle, die den Verbrauch transparent darstellen und Daten sicher an die jeweiligen Akteure übermitteln.

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Ertüchtigte und neue Leitungen

Auch die Zentren der Stromproduktion verlagern sich – die drei letzten Kernkraftwerke werden spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet, zwei von ihnen stehen im Süden Deutschlands (Isar 2 und Neckarwestheim). Dagegen wird zu diesem Zeitpunkt der Ausbau der Windenergie im Norden, besonders vor den Küsten im Meer („offshore“), vorangeschritten sein. Der Strom von dort muss in die Verbrauchszentren weiter südlich transportiert werden können.

Dafür ist der Ausbau des Höchstspannungsnetzes erforderlich. Die entsprechenden Maßnahmen planen die vier Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam und fassen sie im Netzentwicklungsplan zusammen. Er geht den zentralen Fragen auf den Grund: Wo müssen welche Netze optimiert oder verstärkt werden? Wo müssen neue Trassen entstehen?

Der Plan in seiner jüngsten Fassung 2019 fußt auf Annahmen zum deutschen Strombedarf im Jahr 2030. Er wurde erarbeitet von den vier Übertragungsnetzbetreibern Amprion, 50Hertz, TenneT und TransnetBW (Quelle: TransnetBW).

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Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)

Sehr lange Stromtrassen („Stromautobahnen“) sollen den im Norden erzeugten Strom der Windenergieanlagen in den Süden transportieren. Für Strecken ab rund 750 Kilometer eignet sich dazu die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) besser als die herkömmliche mit Wechselspannung.

Beim Gleichstrom wechselt der Strom seine Polarität nicht, sondern ist konstant, solange auch die Richtung der Leistungsübertragung gleich bleibt. Mit HGÜ sind die Übertragungsverluste geringer als bei vergleichbaren Wechselstromleitungen. Für den Transport großer Strommengen über weite Strecken ist HGÜ daher die Technologie der Wahl.

Zudem bietet die moderne HGÜ die Möglichkeit, Lastflüsse im Netz besser zu steuern. Das ist gerade mit Blick auf die Energiewende wichtig. Denn Sonne und Wind richten ihre Energieproduktion nicht nach der Nachfrage, vielmehr wird regenerativer Strom mit großen Schwankungen ins Netz eingespeist. Daher nimmt der Bedarf an einer flexiblen Steuerung der Stromnetze in dem Maße weiter zu, wie erneuerbare Energien eingebunden werden. Gleichstrom- und das existierende Wechselstromnetz werden sich in Zukunft ergänzen.

Künftig sollen die neuen Stromautobahnen teilweise auch als Erdkabel in HGÜ-Technik verlegt werden. Diese Technik ist erprobt, beispielsweise verlaufen solche Leitungen heute schon auf dem Meeresgrund und verbinden etwa England oder Norwegen mit dem europäischen Festland. Höchstspannungserdkabel in Wechselstromtechnik sind dagegen noch weitgehend unerforscht.

Mehr zu HGÜ-Technik im Energiewendeblog der EnBW

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Ausbaupläne in der Diskussion

Die Pläne für neue Hoch- und Höchstspannungsleitungen werden sorgfältig erstellt, dabei werden verschiedene Interessen und die technische Notwendigkeit abgewogen. Denn in der dicht besiedelten Bundesrepublik Deutschland bedeuten neue Trassen oft Eingriffe in Siedlungsstrukturen und Landschaft; ihr Erfordernis wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Kommunalpolitiker und Bürger hinterfragen die Projekte: Braucht es wirklich neue Leitungen vor dem Hintergrund, dass Strom effizienter genutzt wird und immer mehr Haushalte ihren Strom selbst erzeugen? Genügt nicht vielleicht eine Verstärkung vorhandener Leitungen? Oder kann die Leitung unterirdisch als Erdkabel verlegt werden? Die Diskussion darüber ist entflammt.

Viele Fragen, viel Diskussionsbedarf: Die Netzbetreiber müssen ihre Bauvorhaben frühzeitig einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Das Verfahren ist aufwendig und dauert oft mehrere Jahre. Weil die Kernkraftwerke in Deutschland spätestens Ende 2022 abgeschaltet werden, drängt die Zeit. Mit einem Netzausbaubeschleunigungsgesetz und weiteren Beschlüssen hat die Politik darauf reagiert.

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Kosten des Ausbaus

Nach Aussage der Bundesnetzagentur sind die endgültigen Kosten für den Netzausbau nicht genau zu prognostizieren. Sie hängen einerseits vom NOVA-Prinzip ab. Die Buchstaben stehen für „Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau“, das heißt, es werden tatsächlich nur dann neue Trassen gebaut, wenn Optimierungen oder Verstärkungen alleine nicht ausreichen. Andererseits sind die Kosten davon abhängig, wie viele Kilometer Trasse als Erdkabel verlegt werden. Diese Art hat eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung, ist aber teurer als Freileitungen.

Die Kosten für den Netzausbau werden über den Strompreis auf die Verbraucher in Deutschland umgelegt. Sie sind in den sogenannten Netzentgelten enthalten, die jeder Verbraucher über den Grund- und den Arbeitspreis bezahlt. Die Netzentgelte waren bisher bundesweit sehr unterschiedlich. Der Grund: Werden in einer Gegend besonders viele neue Leitungskilometer gebaut, steigt auch die örtliche Belastung über die Netzentgelte. Höhere Netzentgelte fallen im ländlichen Raum insbesondere in den neuen Bundesländern, aber auch in Baden-Württemberg, an. Zum einen entstehen Kosten zur Integration von Erneuerbare-Energien-Anlagen in das Verteilnetz, zum anderen steigt der Unterschied in den Übertragungsnetzentgelten unter anderem wegen Kosten für Redispatch- und Einspeisemanagementmaßnahmen.

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Netzentgeldmodernisierungsgesetz (NEMOG)

Der Gesetzgeber möchte mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMOG) ab 2019 bis 2022 die Netzentgelte bundesweit angleichen. Dadurch werden die Preise in Nord- und Ostdeutschland mittelfristig sinken. In West- und Süddeutschland dagegen dürften die Netzentgelte eher steigen. Dies wird alle Netzbetreiber in den kommenden Jahren betreffen.

Die Kosten für die Nutzung der Übertragungsnetze zwischen den vier Regelzonen werden in insgesamt fünf Schritten beginnend mit dem 1. Januar 2019 bis zum 1. Januar 2023 bundesweit angeglichen. In Baden-Württemberg werden die Netzentgelte laut dem Statusbericht 2018 zum Monitoring der Energiewende der Landesregierung voraussichtlich geringfügig steigen.

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Transparenter Verbrauch

Im Netz der Zukunft ändert sich auch die Rolle der Stromnutzer: Sie werden nach und nach mit digitalen Stromzählern ausgestattet. Ab einem gewissen Jahresverbrauch erhalten sie einen „intelligenten“ digitalen Zähler, genannt intelligentes Messsystem (iMSys). Damit geht auch die Energiewende voran, indem der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren verbessert wird. Nutzer haben so außerdem ihren genauen Verbrauch transparent und jederzeit im Blick.

Mit den intelligenten Messsystemen werden sich neue Möglichkeiten des Managements der Stromflüsse ergeben: Im Datenaustausch mit ihrem Energielieferanten können Kunden künftig gegebenenfalls günstige Verbrauchszeiten nutzen – und somit aufwendige Lastspitzen auf Seiten der Energieerzeugung vermeiden. Und als Betreiber einer Solaranlage auf dem Dach nutzen sie den erzeugten Strom entweder selbst oder speisen ihn ins Netz ein. Welcher Fall wann am besten ist, verrät ebenfalls der smarte Zähler (Smart Meter) – je nach Typ zum Beispiel über eine App auf dem Smartphone.

Die digitale Technik im Haus ermöglicht außerdem einen neuen Komfort, das sogenannte Smart Home: Die gesamte Haustechnik wird miteinander vernetzt, alle elektrischen Geräte werden zentral gesteuert. Bequem vom Sofa aus das Licht einschalten oder rechtzeitig vor dem Feierabend den Thermostat der Heizung zu Hause aufdrehen – nur zwei Möglichkeiten von vielen.