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Das Wichtigste in Kürze
  • Atomstrom ist die teuerste Form der Stromerzeugung mit bis zu 49 Cent pro kWh.
  • Die Entsorgung radioaktiver Abfälle kostet bis 2100 voraussichtlich rund 170 Milliarden Euro.
  • Ein Neustart alter Atomkraftwerke ist technisch kaum möglich und wirtschaftlich nicht sinnvoll.
  • Neubauten sind teuer, dauern lange und behindern den Ausbau erneuerbarer Energien.
Teil 4
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Stimmts? Aussagen zur Energiewende im Faktencheck

Umweltsünde, gefährliches Spiel mit der Versorgungssicherheit, Milliardengrab. Der Umbau des Energiesystems wird in Deutschland kontrovers diskutiert. In unserer neuen ECO*Journal Reihe stellen wir kritische Ansichten auf den Prüfstand. Was wissen Wissenschaft und Forschung? Was lässt sich belegen und berechnen? Und wo sind Zweifel angebracht? Wir geben Antworten.

Zwei Jahre Atom-Aus in Deutschland: Im April 2023 gingen die letzten Kernkraftwerke in der Bundesrepublik vom Netz. Das Laufzeitende der Meiler und der deutsche Atomausstieg sind im Atomgesetz schon lange festgeschrieben. Den Beschluss fasste der Deutsche Bundestag am 30. Juni 2011 unter der Führung der damaligen Regierung aus CDU/CSU und FDP in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens. Manche halten dies inzwischen für eine Fehlentscheidung. Eine Rückkehr zur Kernenergie wird von unterschiedlichen Gruppen immer wieder ins Spiel gebracht. Atomstrom sei preiswert und senke die Stromrechnung für die Verbraucherinnen und Verbraucher, lautet eines der wesentlichen Argumente. Doch die Fakten zeigen: Atomenergie ist eine besonders teure Art die Stromerzeugung in Deutschland zu sichern. Außerdem trägt sie kurzfristig nicht zur Energieversorgung bei und die Altlasten sind eine finanzielle Herausforderung für zukünftige Generationen. Die wichtigsten Gründe im Überblick.

1. Hohe Stromgestehungskosten

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Atomstrom zu erzeugen ist teuer. Die sogenannten Stromgestehungskosten – also die Kosten von Errichtung, Betrieb und Wartung bis hin zum Rückbau eines Kraftwerks im Verhältnis zu seiner gesamten Stromerzeugungsmenge – sprechen eine klare Sprache. Zwar sind diese nicht mit dem Strompreis für die Verbraucher*innen gleichzusetzen, beeinflussen diesen jedoch. Hinzu kommen unter anderem Steuern, Vertriebskosten und Umlagen.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme berechnete 2024 die Stromgestehungskosten für unterschiedliche Energieträger und ermittelte dabei folgende Höchstwerte:

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Stromgestehungskosten nach Energieträgern in Deutschland 2024 (in ct/kWh)
Quelle: Fraunhofer ISE/energy-charts.info
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Die Heinrich Böll Stiftung hält dazu fest: „Atomstrom ist eine der teuersten Formen der Stromerzeugung und im Laufe der Zeit teurer statt günstiger geworden.“ Die Kosten für Strom aus einem neuen Atomkraftwerk sind in den vergangenen 15 Jahren um beinahe die Hälfte gestiegen, während sie beispielsweise für die Erzeugung von Wind- (- 63%) und Sonnenenergie (-83%) deutlich gesunken sind.

Dabei sind in diesen Zahlen die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten der Kernkraft wie staatliche Förderungen, Klima- und Umweltschäden sowie vor allem die Entsorgung und Endlagerung noch nicht beziffert und berücksichtigt. Besonders die finanziellen Aufwände für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle treiben die Kosten zusätzlich in die Höhe. Für die gesamte atomare Entsorgung rechnet die Bundesregierung bis 2100 mit rund 170 Milliarden Euro.

Dabei ist ein Endlager für die finale Entsorgung in Deutschland bis heute nicht gefunden und auch nicht in Sicht. Zwischenzeitlich schlagen also auch die Kosten für die Suche sowie die Zwischenlagerung des Atommülls weiterhin zu Buche. Diese Kosten belasten nicht nur die Energieunternehmen, sondern auch die Steuerzahler*innen über Generationen hinweg.

2. Aus Alt mach Neu ist keine Alternative

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Sprengung der beiden Kühltürme im EnBW Kernkraftwerk Philippsburg (Video: EnBW)

Immer wieder gibt es Forderungen, Atomkraftwerke, die zuletzt abgeschaltet wurden, einfach wieder ans Netz zu bringen. Die Reaktoren befinden sich allerdings alle bereits im Rückbau. Der Betrieb lässt sich nicht einfach wieder aufnehmen. Sven Dokter, Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), erklärt gegenüber der „taz“ die Gründe. Darunter:

  • Fehlende Sicherheitsgenehmigungen und Betriebserlaubnisse.
  • Fehlende Komponenten und Bauteile, die für die alten Reaktoren notwendig sind, heute jedoch nicht mehr hergestellt werden.
  • Hohe Strahlung: Einzelne Komponenten für den künftigen Betrieb müssten in Kraftwerksbereichen mit hohen Strahlungswerten eingebaut werden, was den kostspieligen Einsatz von Robotern erfordert.

Außerdem fehlt nach dem lange geplanten Rückbau das Fachpersonal für den Betrieb der alten Kernkraftwerke.

Ein Rücktritt vom Rückbau ist damit praktisch nicht möglich, zumindest aber extrem zeit- und arbeitsaufwändig und damit wirtschaftlich unrentabel. Deshalb erteilen die Betreiber der letzten deutschen Atomkraftwerke einer Wiederaufnahme des Betriebs eine klare Absage.

Unternehmen wie EnBW und RWE haben sich eindeutig gegen eine Rückkehr zur Kernenergie positioniert und ihre Strategie auf erneuerbare Energien ausgerichtet. Ein weiteres Argument: Müsse wieder Geld in die Kernenergie investiert werden, fehle dieses für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Netzausbau.

3. Teure Neubauten

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Durchgangsschleuse im EnBW Kernkraftwerk Neckarwestheim (Bild: EnBW / Fotograf: Andy Ridder)

Für einen Wiedereinstieg in die Atomenergie müssten in Deutschland neue Kernkraftwerke errichtet werden. Das dauert Jahre, verschlingt enorme Summen und bietet keinerlei kurzfristige Lösung für gegenwärtige Fragen der Energieversorgung. Beispiele aus anderen Ländern zeigen zudem, dass die Projekte häufig den geplanten finanziellen sowie zeitlichen Rahmen sprengen. So etwa der Bau der Atomenergieanlage Hinkley Point C in Großbritannien. Dort kommt es seit dem Baubeginn im Jahr 2016 immer wieder zu Verzögerungen und erheblichen Kostensteigerungen: Statt der ursprünglich angesetzten 19 Milliarden Euro könnten sich die Gesamtkosten bis zur voraussichtlichen Fertigstellung im Jahr 2031 auf mehr als 50 Milliarden Euro summieren. Zu einer ähnlichen Kostenexplosion kam es auch bei der Errichtung des finnischen Reaktors Olkiluoto-3. Die Kosten stiegen unter anderem aufgrund baulicher und materialbedingter Mängel von ursprünglich drei auf über elf Milliarden Euro. Und aus den ursprünglichen vier Jahren Bauzeit wurden am Ende 18 Jahre.

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Warum Small Modular Reactors auch keine Lösung sind

Auch Small Modular Reactors (SMRs), kleinere und modular konzipierte Kernkraftwerke, sind immer wieder Teil der Diskussion. Doch ist die Technologie weder neu noch (energie)­wirtschaftlich derzeit attraktiv. Denn: Trotz jahrzehntelanger Forschung befinden sich die SMRs weiterhin im Entwicklungs­stadium. Weltweit sind nur wenige Reaktoren im Betrieb. Ihre Bauzeiten sind lang – wie bei größeren Kern­kraftwerken auch –, Verzögerungen und Kosten­steigerungen inklusive. Studien zeigen, dass die Strom­gestehungskosten für SMRs voraussichtlich zwischen 213 und 581 US-Dollar pro Megawattstunde betragen könnten. Damit scheiden die Reaktoren nach heutigem Stand als rentable Alternative aus. Auch, weil die grundlegende Herausforderung der Kernkraft, nämlich die Entsorgung der gefährlichen radioaktiven Abfälle bestehen bleibt. Hinzu kommt die Notwendigkeit umfangreicher staatlicher Förderungen und Subventionen für ihren Neubau. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass aus diesen Gründen selbst im optimistischsten Szenario SMRs bis 2050 nur etwa zwei Prozent zur globalen Stromerzeugung beitragen könnten.

Fazit

Die Fakten zeigen deutlich: Atomkraft ist keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative für die Energieversorgung. Die hohen Kosten, von der Errichtung über den Betrieb bis zur Entsorgung, machen Kernenergie zu einer der teuersten Formen der Stromerzeugung. Ein Wiedereinstieg ist unrentabel und ginge langfristig zulasten der Steuerzahler*innen. Auch hilft Atomenergie mittelfristig nicht, die deutschen Klimaziele zu erreichen. Denn der Betrieb von Atomkraftwerken emittiert zwar keine direkten Treibhausgase. Die nukleare Wertschöpfungskette vom Uranabbau bis zur ungewissen Frage der Endlagerung verursacht jedoch erhebliche Umweltschäden und birgt schwer kalkulierbare Risiken. Auch müssten für einen deutlichen Effekt der Atomkraft auf die Klimaziele eine erhebliche Zahl neuer Werke errichtet und in Betrieb genommen werden.

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