
Das Modell Waldbronn für eine nachhaltige Energiezukunft
Die Energiewende stellt Kommunen, Unternehmen und Wohnungswirtschaft vor die Herausforderung, ihre Energieversorgung deutlich effizienter und nachhaltiger zu gestalten. „Dafür gilt es oftmals, Energie neu zu denken“, sagt Andreas Hockun, Geschäftsführer der EnBW Contracting GmbH. „Vernetzung ist dabei ein wichtiger Schlüssel, der zu deutlich höherer Energieeffizienz führen kann, wenn sich Akteure zusammenschließen, die voneinander profitieren. Zum Beispiel mit einem Energieverbund.“
Die Gemeinde Waldbronn zeigt, wie so eine zukunftsorientierte und nachhaltige Lösung aussehen kann. In der Kommune im Norden des Schwarzwaldes arbeiten Industrie, Gemeinde und Wohnquartiere mittlerweile Hand in Hand. Mit intelligenter Bündelung von Abwärmeströmen und der Vernetzung von Strom sowie Wärme- und Kälteverbrauchern nutzen sie größere Synergieeffekte und sparen gleichzeitig signifikant CO₂-Emissionen und Kosten ein.
Die Ausgangslage: Verschiedene Akteure schließen sich zusammen
Den Anstoß für den Energieverbund in Waldbronn gaben Agilent Technologies, ein führender Hersteller für analytische Messgeräte, und EnBW als Contractor, die zusammen mit der Gemeinde Waldbronn eine gemeinsame Lösung für effizientere Energieversorgung ins Auge fassten. Mit der Taller GmbH, einem Unternehmen in direkter Nachbarschaft von Agilent, dem Freibad und der Eissporthalle der Gemeinde Waldbronn sowie einem Wohngebiet kamen weitere Akteure hinzu. Wolfgang Frenzel, stellvertretender Projektleiter erläutert: „Wir haben bei der Entwicklung des Konzepts eng mit allen Beteiligten zusammengearbeitet, um die verschiedenen Energiebedarfe der Akteure optimal miteinander zu verbinden.“
Denn alle Partner haben unterschiedliche Anforderungen an ihre Energieversorgung: Agilent benötigt Prozess- und Klimakälte sowie Heizwärme und Strom für die Produktion und mehrere Gebäude. Das Freibad und die Eissporthalle der Gemeinde haben ebenfalls hohen Energiebedarf – besonders bei der Beheizung des Freibads im Sommer und der Kühlung der Eissporthalle im Winter. Die Firma Taller wiederum benötigt eine effiziente Kühlung für ihre Kunststoff-Spritzgussmaschinen. Eine Ausgangslage wie geschaffen für einen gemeinsamen Energieverbund: Contracting für die Industrie, Wohnungswirtschaft und Kommune in einem.
Das Konzept: Synergien dank intelligenter Vernetzung
Das Herzstück des Energieverbunds ist die Energieverbundzentrale. Hier fließen die unterschiedlichen Energiekreisläufe – Wärme, Kälte und Strom – zusammen.
Das hocheffiziente Blockheizkraftwerk - Mit einem Wirkungsgrad von 94 Prozent - liefert aus 100 Prozent Gas 38 Prozent Strom und 56 Prozent Wärme. Darüber hinaus nutzt der Energieverbund mit einer Hochtemperatur-Wärmepumpe (1,5 MW) bisher ungenutzte Wärmeleistung von circa 3.000 Kilowatt der Rückkühlanlage. Nun wird die Energie, die früher bei 30 Grad Celsius verloren ging, in den Heizkreislauf eingespeist. Mit der Großwärmepumpe werden so alle Abwärmeströme des Energieverbunds gesammelt und den Partnern an benötigter Stelle zur Verfügung gestellt. Über ein Nahwärmenetz wird seit 2023 darüber auch das nahegelegene Wohngebiet mit 280 Wohneinheiten versorgt. „Auf diese Weise können wir bis zu 70 Prozent der Wärme CO₂-frei bereitstellen“, betont Wolfgang Frenzel.
Die Sektorenkopplung: Wärme, Kälte und Strom verknüpfen
Erfolgsrezept dieses Projekts ist es, die unterschiedlichen Sektoren miteinander zu verknüpfen. Damit setzt die Energie immer dort ein, wo sie gerade am meisten gebraucht wird, wie etwa die Abwärme, die bei der Kühlung der Spritzgussmaschinen von Taller entsteht, zur Beheizung des Schwimmbads.
Ein Erfolgsmodell für die Zukunft
Das Konzept des Energieverbunds und einer gemeinsamen Energieinfrastruktur in Waldbronn kann auf Industrie- oder Gewerbegebiete übertragen werden, wo unterschiedliche Energiebedarfe gefragt sind – und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören vor allem eine räumliche Nähe der Akteure. Besonders gut ist es, wenn komplementäre Energiebedarfe vorliegen und sich ergänzen. „Wir als Contractor übernehmen dabei die Rolle des Energiemanagers, der die Energie bedarfsgerecht von einem Partner zum anderen verschiebt und so auch Lastspitzen ausgleicht“, sagt Markus Ott, Projektleiter bei EnBW Contracting.
Vorher-Nachher: Wie hoch ist die Energieeffizienz?
Mit Installation der Wärmepumpe und intelligenter Nutzung der Abwärme ist der Erdgasverbrauch drastisch gesunken. Das Ergebnis: Zwei Drittel des ursprünglichen Erdgasverbrauchs konnten eingespart und die CO₂-Emissionen um 50 Prozent reduziert werden. Der Energieverbund führt so zu einer jährlichen Einsparung von 1.560 Tonnen CO₂. Neben der Schonung von Umwelt und Klima sinken gleichzeitig die Energiekosten aller Akteure.
Fazit: Synergien als Schlüssel zur nachhaltigen Energiezukunft
Das Projekt in Waldbronn zeigt eindrucksvoll, dass Kooperationen von Industrie, Kommune und Wohnungswirtschaft große technische und wirtschaftliche Potenziale erschließen. Die Bündelung der Interessen und die intelligente Vernetzung der Energiebedarfe führt nicht nur zu einer nachhaltigen Energieversorgung, sondern auch zu erheblichen Kosteneinsparungen. Andreas Hockun: „Auch wenn es immer eine individuelle Lösung ist, lässt sich das Beispiel Waldbronn als eine Art Blaupause für andere Regionen nutzen, die auf der Suche nach zukunftsfähigen und nachhaltigen Energiekonzepten sind.“