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Wo entsteht unser Strom? Das EnBW E-Cockpit zeigt’s. (Foto: EnBW)

Wo entsteht gerade grüner Strom? Wer wissen möchte, welche Anlagen im Moment erneuerbare Energien liefern, muss nicht hinaus in die Felder: Die App „EnBW E-Cockpit“ (iOS und Android) zeigt in Echtzeit, wie viel Energie die Wind- und Solarparks der EnBW deutschlandweit produzieren. Neben Windgeschwindigkeit, -richtung und Sonneneinstrahlung offenbart die App auch, wann und wo Anlagen stillstehen – meist nicht wegen Wartungsarbeiten, sondern weil sie mehr Strom erzeugen würden, als das Netz aufnehmen kann.

1. Grund

Das Stromnetz käme aus dem Gleichgewicht

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Einer der Gründe, warum Windräder bei Wind stillstehen, ist das Stromnetz der Bundesrepublik – eine komplexe, über Jahrzehnte gewachsene Infrastruktur mit einer stabilen Frequenz von 50 Hertz. Schwankt diese zu stark, ist die Stromversorgung gefährdet. Nähert sich der Wert einer Frequenz über 50,2 oder unter 49,5 Hertz, müssen Netzbetreiber*innen Ausgleichsmaßnahmen treffen, um eine Überlastung des Stromnetzes und Stromausfälle zu vermeiden.

Die nötige Stabilität einzuhalten war früher einfacher als heute: Jahrzehntelang produzierten wenige große Kraftwerke den Strom zentral für ganz Deutschland. Diese bringen durchgängig die gleiche Leistung, die Netzfrequenz blieb fast von selbst auf 50 Hertz. Heute speisen dagegen Tausende Wind- und Solaranlagen dezentral und wetterabhängig ein, sodass Angebot und Frequenz viel stärker schwanken. Die Folge: Netzbetreiber*innen müssen heute viel öfter eingreifen, Anlagen drosseln oder Reservekraftwerke zuschalten, um die Netzfrequenz trotz der stärkeren Schwankungen stabil zu halten.

Stromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern

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Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträger in den Jahren 2000 bis 2024. (Quelle: Statista)

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Der Netzausbau hinkt dem Ausbau erneuerbarer Energien hinterher. Weht im Norden kräftiger Wind, fehlt häufig die Transportkapazität, um den Strom in den industriestarken Süden zu schicken. Um Netzengpässe zu vermeiden, müssen die Betreiber*innen ihre Windparks per Fernsteuerung drosseln oder ganz abschalten. Die fehlende Energie im Süden liefern dann Reservekraftwerke, meist mit Kohle oder Gas. 2024 mussten so etwa 9,4 Terawattstunden erneuerbarer Strom per Redispatch abgeregelt werden, um die Netzfrequenz zu sichern. Das ist immerhin ungefähr so viel Strom, wie ganz Deutschland in rund einer Woche verbraucht.

Windräder abschalten: So funktioniert das Einspeisemanagement

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Um eine Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden, setzen Netzbetreiber*innen auf das sogenannte Einspeisemanagement. Ein Eingriff in die Stromerzeugung wird dann nötig, wenn einzelne Netzabschnitte überlastet sind und keinen Strom mehr abtransportieren können.

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  1. Stellen die Netzbetreiber*innen fest, dass die Netzkapazität in einem Abschnitt überschritten wird, kontaktieren sie die Anlagenbetreiber*innen und fordern diese auf, die Einspeisung des Stroms zu reduzieren. Diese fahren ihre Anlagen manuell herunter oder reduzieren die Einspeisung automatisch mithilfe technischer Steuerungssysteme.
  2. Bei Überkapazität stehen Windräder und PV-Anlagen in der Regel als erstes still, obwohl sie grünen Strom produzieren: Sie lassen sich flexibler ab- und anschalten als etwa ein Kohlekraftwerk. Von Abregelungen sind häufig gerade jene Regionen betroffen, die beim Ausbau von Windkraftanlagen die Nase vorn haben – etwa Küstenregionen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
  3. Energie, die durch Abregelung verloren geht, wird als Ausfallarbeit bezeichnet. Anlagenbetreiber*innen erhalten dafür gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Entschädigung. Es fließt also Geld, obwohl kein Strom fließt. Nach vorläufigen Angaben der Bundesnetzagentur betrug die Summe der Entschädigungsansprüche für abgeregelte Erneuerbare-Energien-Anlagen 2024 rund 550 Millionen Euro. Die höchsten Zahlungen erhielten Anlagenbetreiber*innen in Niedersachsen (224,5 Mio. Euro) und Schleswig-Holstein (149,8 Mio. Euro).
  4. Parallel zur Abregelung der Wind- und Solarparks müssen dort, wo der Strom gebraucht wird, Kraftwerke hochgefahren werden. Reichen die Inlandskapazitäten nicht, wird Strom aus dem Ausland zugekauft.
2. Grund

Fallende Strompreise

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Manchmal lohnt es sich für Betreiber*innen schlicht nicht, trotz optimaler Witterung Strom zu produzieren. Ganz im Gegenteil: Liefe die Anlage, würden sogar Verluste entstehen, weil die Betriebskosten und erst recht die sogenannten Stromgestehungs­kosten höher als die Einnahmen wären.

Die Hintergründe: Der Handel mit Strom findet an der Strombörse statt, die Preise bestimmt der Markt – also Angebot und Nachfrage. Produzieren alle Windkraftanlagen in derselben Wetterregion gleichzeitig Strom, hat das einen Preiseffekt am Markt: Trifft viel günstig produzierter Strom auf eine gleichbleibende Nachfrage, sinkt der Kurs – die erneuerbaren Energien wirken dann über das sogenannte Merit-Order-System preisdämpfend auf den Strommarkt.

Bei einem Überangebot kann der Strompreis sogar ins Negative fallen. Sobald Betreiber*innen draufzahlen müssten, um ihren Strom loszuwerden, drosseln sie lieber die Leistung: Dann drehen sich die Windräder nicht mehr, obwohl genug Wind weht. Statistisch hat Strom aus Windkraft mittlerweile an rund 20 Tagen im Jahr keinen Marktwert mehr. Während die Betreiber*innen bei einer Netzüberlastung eine gesetzliche Entschädigung erhalten, gehen sie bei einer freiwilligen Abschaltung leer aus.

3. Grund

Wartungen von Windkraftanlagen

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Nicht jeder Stillstand von Windkraftanlagen hat mit Netzengpässen oder Börsenpreisen zu tun: Regelmäßig legen Betreiber*innen ihre Anlagen bewusst lahm, um sie zu warten oder kleinere Schäden zu beheben. Ein modernes Windrad ist ein hochkomplexes, ständig belastetes System aus Hydraulik, Elektrik, Elektronik und sensibler Sensorik. Gerade diese Bauteile sind anfällig für Verschleiß – Fehler lassen sich zwar meist zügig reparieren, erfordern aber einen kurzfristigen Stopp. Seltener, dafür zeitaufwendiger, sind Reparaturen an Getriebe, Rotor oder Generator: Hier können mehrere Tage oder Wochen vergehen, bis Spezialteams und Ersatzteile vor Ort sind. Fundament und Turm hingegen gelten als nahezu wartungsfrei.

Um einen sicheren und störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, schreibt der Gesetzgeber strenge Intervalle vor: Mechanische und elektrische Komponenten werden etwa alle sechs Monate geprüft, die gesamte Standsicherheit alle zwei bis vier Jahre. Diese Einsätze, die Hersteller- oder spezialisierte Serviceteams durchführen, dauern im Schnitt rund 20 Arbeitsstunden – genug Zeit, um gleichzeitig kleine Reparaturen zu erledigen. Aufwand, Dauer und Kosten hängen dabei stark von Bauart und Nabenhöhe der Anlage ab: Je höher das Windrad, desto aufwendiger Logistik und Zugang. Doch der Einsatz lohnt sich: Mit konsequenter Wartung erreichen Windkraftanlagen problemlos Laufzeiten von 20 Jahren und mehr.

4. Grund

Automatische Abschaltung zum Eigenschutz

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Windrad mit Sturmschaden. Normalerweise greift bei Windgeschwindigkeiten über 90 Km/h ein Schutzmechanismus (Foto: Adobe Stock)

Beim Blick auf ein regloses Windrad muss nicht immer ein Defekt vorliegen: Jede Anlage besitzt ein „Eigenschutzprogramm“, das sie bei ungünstigen Bedingungen automatisch aus dem Wind nimmt.

  • Sturmschutz: Moderne Windkraftanlagen ragen teils mehr als 200 Meter in den Himmel – dort wirken Orkanböen mit enormer Kraft. Registrieren die Sensoren Windgeschwindigkeiten jenseits des herstellerabhängigen Grenzwerts (meist ab etwa 90 km/h), drehen die Rotorblätter automatisch aus dem Wind, stoppen die Turbine und verriegeln den Rotor. So beugt die Steuerung Schäden an Nabe, Getriebe und Turm vor.
  • Eissensorik: Im Winter registrieren Vibrations- und Temperatursensoren Eisansatz an den Rotorblättern. Gefriert Wasser, erhöht das nicht nur die Last, sondern auch die Abwurfgefahr – die Anlage stoppt, bis das Eis abschmilzt oder ein Heizsystem die Blätter abtaut.
  • Flautenabschaltung: Auch das andere Extrem führt zum Stillstand: Unterschreitet die Windgeschwindigkeit etwa 3 m/s, reicht der Luftstrom nicht mehr, um wirtschaftlich Energie zu produzieren. Die Steuerung schaltet ab und wartet, bis genügend Wind anliegt, bevor sie wieder anläuft.

Die automatisch eingestellten Grenzwerte sorgen dafür, dass moderne Windkraftwerke zwischen Sturm und Flaute selbstständig die Balance halten – ohne menschliches Eingreifen und lange bevor Gefahr für Technik oder Umwelt besteht.

5. Grund

Abschaltung für den Tier- und Anwohnerschutz

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In der Morgen- und Abenddämmerung "pausieren" Windräder, damit Zugvögel gefahrlos pausieren können. (Foto: Adobe Stock)

Auch für den Schutz von Fledermäusen und Vögeln stehen Windräder immer wieder still. Bereits in der Planungsphase wählen Expert*innen konfliktarme Flächen fernab von Brut- und Rastgebieten, um Kollisionen zu vermeiden. Bei Morgen- und Abenddämmerung pausieren viele Anlagen, damit Zugvögel gefahrlos passieren. Auch Fledermäuse genießen Schutz: In warmen, windarmen Sommernächten schalten die Turbinen ab, weil die nächtlichen Insektenjäger dann besonders aktiv sind.

Die Genehmigungen schreiben dafür entweder feste Ruhefenster vor und legen nach einem meist einjährigen Probebetrieb exakt standortbezogene Abschaltzeiten fest. Kameras und Radarsensoren moderner Windräder erkennen heranfliegende Schwärme und bringen die Rotorblätter bei Bedarf innerhalb von Sekunden zum Stillstand. Während Aussaat- und Erntephasen drosseln Betreiber*innen die Leistung von Windkraftanlagen zusätzlich, da das reichere Nahrungsangebot mehr Vögel auf die Felder lockt.

Im Vergleich zu anderen Gefahren für die gesamte Vogelwelt fällt der Einfluss der Windenergie vergleichsweise niedrig aus. Ein Faktencheck zur Gefährdung heimischer Vogelarten durch Windenergie zeigt, dass Windräder im Gegensatz zu Glasfassaden, Straßenverkehr oder Hauskatzen nur einen geringen Anteil an den jährlichen Verlusten verursachen. Da in Deutschland aber weniger die häufig vorkommenden Kleinvögel, sondern vor allem bestimmte Arten wie einige Greifvögel besonders gefährdet sind, gelten hierzulande strenge Auflagen für den Artenschutz bei der Standortwahl von Windkraftanlagen.

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Auch um Schattenwurf und Geräusche zu vermeiden, werden Windräder in bestimmten Zeiten gestoppt. (Foto: EnBW/Paul Langrock)

Rücksicht auf die Nachbarschaft

Auch Rücksicht auf die Nachbarschaft kann Windräder zeitweise stoppen. Sobald die Sonne tief steht, werfen Rotoren lange wandernde Schatten – als „Schattenwurf“ oder umgangssprachlich „Discoeffekt“ bekannt. Bereits die Genehmigung legt dafür feste Zeitfenster fest: Überschreiten Sensoren die zulässige Minutenzahl, startet eine Abschaltautomatik und verhindert, dass flackernde Schatten Schlafzimmer oder Gärten erreichen. Gleiches gilt bei Lärm: Messen Mikrofone an der Anlage in Randlagen Pegel oberhalb der Schallgrenzwerte, drosselt die Turbine ihre Drehzahl oder schaltet sich ab. Der hörbare Schall bleibt damit streng limitiert.

Beim nicht hörbaren Infraschall – also Schallwellen unter 20 Hertz – liefern Windkraftanlagen nur sehr schwache Pegel. Mehrere Studien zeigen, dass dieser Schalldruck weit unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle bleibt und damit keine gesundheitlichen Effekte auslöst.

Nachts stören vor allem die roten Warnleuchten, die Windräder ab 100 Metern Höhe für die Luftfahrt tragen müssen. Mit aktiven Detektionssystemen bleibt das Licht heute jedoch meist aus: Erst wenn Radar oder Transponder ein nahes Flugzeug erfassen, schalten sich die Lampen für kurze Zeit ein. Dank der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung bleibt der Himmel über den Anlagen die meiste Nacht dunkel und die Nachtruhe der Anwohner ungestört.

Lösungsansätze: Netz ausbauen und Speicherkapazitäten schaffen

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Um einen sicheren und störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, werden Windräder regelmäßig gewartet. (Foto: EnBW/Paul Gärtner)

Abgeschaltete Windräder machen es deutlich: Für die Energiewende genügt es nicht, Windkraftanlagen zu bauen. Entscheidend für eine klimafreundliche und sichere Stromversorgung ist der Bau von hocheffizienten Übertragungsleitungen, die erneuerbare Energie von den norddeutschen Küsten in den industriestarken Süden bringen. Die EnBW und ihre Tochter TransnetBW sind an gleich zwei zentralen Hochspannungs-Trassen beteiligt, die die nachhaltige Energieversorgung Deutschlands künftig sicherstellen: an der 340 Kilometer langen Hochspannungs-Gleichstrom-Leitung Ultranet und an SuedLink. Die 700 Kilometer lange Höchstspannungs-Gleichstrom-Verbindung SuedLink ist das größte deutsche Infrastrukturprojekt der Energiewende.

Speicherkapazitäten helfen zudem, den grünen Strom bei Überkapazität zwischenzuspeichern. Wo möglich, stattet die EnBW inzwischen neue Solarparks mit Batteriespeichern aus, um mehr Strom nutzbar zu machen. Auch ein erster Batteriespeicher in einem Windpark hat inzwischen den Betrieb aufgenommen. Wenn es gelingt, die Energie genau dort umzuwandeln, wo sie entsteht, sollten Windradflügel künftig nicht mehr wegen Überschussstroms stillstehen.

Lösungsansätze sind dringend erforderlich, denn der Bedarf an sauberem Strom steigt rasant: Millionen Elektroautos verlangen rund um die Uhr Ladeenergie, Wärmepumpen ersetzen zunehmend fossile Heizungen, und die Industrie stellt ihre Prozesse auf Strom und grünen Wasserstoff um. Je stärker Mobilität, Wärme und Produktion elektrifizieren, desto größer wird die Bedeutung erneuerbarer Quellen – und desto wichtiger ein System, das Wind- und Sonnenstrom nicht nur transportiert, sondern auch zwischenspeichert und punktgenau bereitstellt.

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