Strom und Gas werden heute frei gehandelt, an Börsen oder direkt zwischen Erzeugern und Händlern. Die Preise bestimmt der Markt, wobei Energie aus erneuerbaren Quellen gesetzlich geregelten Vorrang hat. Energieversorger berechnen lange im Voraus, wann sie welche Strom- und Gasmengen brauchen und entsprechend einkaufen. Das tun sie meist in Teilmengen, um Preisrisiken zu minimieren und die Versorgung ihrer Kunden zu sichern.
Der Strommarkt in Deutschland
In Deutschland bieten knapp 800 Unternehmen Strom an – Konzerne, Regionalversorger, Stadt- und Gemeindewerke sowie Energiehändler. Rund 444,5 Terrawattstunden (TWh) oder 444,5 Milliarden Kilowattstunden Strom haben sie 2017 an Endverbraucher abgesetzt – 447.000.000.000 Kilowattstunden (Statistisches Bundesamt, Stand 2019). Das ist fast doppelt so viel wie 1975 (226 Terrawattstunden), aber weniger als der Spitzenwert 2008 mit 521 Terrawattstunden. Zum Vergleich: Mit einer Terrawattstunde oder einer MIlliarde Kilowattstunden können rund 286.000 Durchschnittshaushalte ein Jahr lang versorgt werden.
Strompreis
Der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom ist im Zeitraum von 1998 bis 2018 um 72 Prozent gestiegen. Und das trotz der Liberalisierung, also des Wechsels vom Energiemonopol in abgegrenzten Gebieten zum freien Wettbewerb. Zahlte ein Privathaushalt 1998 brutto durchschnittlich 17,11 Cent für eine Kilowattstunde, waren es 2018 im Mittel 29,47 Cent.
Woran liegt das? Hinsichtlich Erzeugung, Transport und Vertrieb sind die Kosten für Haushalte fast gleich geblieben, 1998 wie heute entfallen darauf rund 13 Cent. Hinzugekommen sind jedoch weitere Preisbestandteile wie die Stromsteuer, die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) und diverse weitere Umlagen zur Finanzierung der Energiewende. Auch die Mehrwertsteuer ist gestiegen. Seit 1998 bis 2018 ist dieser Anteil um 290 Prozent gestiegen. Zusammengenommen machen diese „neuen“, vom Staat veranlassten Preisbestandteile ein Plus von rund 12 Cent aus. Das sind etwa 40 Prozent dessen, was Verbraucher zahlen. Auch die Entgelte für die Durchleitung des Stroms durch die Leitungen der Netzbetreiber sind vom Staat reguliert.
Alle am Strommarkt aktiven Anbieter haben diese Steuern, Umlagen und Abgaben zu entrichten. Sie müssen sie mit dem Strompreis erheben und abführen. Der Wettbewerb kann sich also nur um die Kosten drehen, die von den Unternehmen selbst beeinflusst werden können – das sind der Einkauf und Vertrieb des Stroms.
Stromeinkauf
Beim Einkauf beschaffen die Unternehmen sich den Strom entweder über die europäische Energiebörse EEX in Leipzig oder sie schließen Lieferverträge direkt mit Erzeugern (Direktvermarktung). Der aktuelle Börsenpreis gibt auch die Richtung für die abseits der Börse ausgehandelten Beschaffungspreise vor. Die Kosten für die Stromerzeugung variieren je nach Kraftwerkstyp, eingesetzter Primärenergie und Auslastung des Kraftwerks (Betriebsstunden mit voller Leistung). Sie bilden die Basis für den Großhandelspreis an der Börse. Das Preisniveau wird zudem beeinflusst durch das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage. Ist das Angebot größer als die Nachfrage, sinkt in aller Regel der Preis, ist es kleiner als die Nachfrage, steigt er.
Handelsplatz Strombörse
Der Einsatz der Kraftwerke, um zu jeder Zeit den bestellten Strom zu erzeugen, wird zwischen den Betreibern und dem Großhandel koordiniert. Gesetzlichen Vorrang hat Strom, der aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Die Natur richtet sich dabei nicht nach dem Bedarf. An zweiter Stelle werden dann aus wirtschaftlichen Gründen die Anlagen aktiviert, die am günstigsten Strom aus fossilen Energieträgern produzieren. Bei steigender Nachfrage folgen die zweitgünstigsten und so fort. Das letzte Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs eingesetzt wird – und damit das teuerste ist –, bestimmt den Preis des Stroms an der Börse. Die Experten sprechen hier von den „Grenzkosten“ und vom „Merit-Order-Effekt“ (siehe Blog der Stiftung Energie und Klimaschutz).
Das heißt, der Großhandelspreis für Strom an den Börsen schwankt stark. Für Einkäufer von Energieunternehmen bedeutet das Chance und Risiko gleichermaßen: Sie müssen einerseits dafür Sorge tragen, dass sie möglichst kostengünstig einkaufen, und andererseits sicherstellen, dass Kunden jederzeit mit genügend Energie beliefert werden können. Sie können also nicht riskieren, die Gesamtmenge an Strom für ihre Kunden kurzfristig zu decken. Das Risiko von Preissprüngen oder einer Unterdeckung wäre zu hoch. Andererseits können sie auch nicht den gesamten Bedarf Jahre im Voraus kaufen, weil dann die Gefahr zu groß wäre, zu viel zu bezahlen.
Deshalb gehen die Stromversorger so vor: Sie kaufen auf dem sogenannten Spotmarkt den Strom für die nächsten ein bis zwei Tage. Am Terminmarkt kaufen sie in Teilmengen ihren Bedarf lange im Voraus ein – dabei geht es um Jahre. Das spiegelt sich auch in den gehandelten Mengen: Der Terminmarkt umfasst rund das Dreifache des Spotmarkts.
Direktvermarktung
Betreiber von Erneuerbaren-Energie-Anlagen, die eine Anschlussleistung von 100 Kilowatt oder mehr haben, müssen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit Januar 2016 ihren Strom direkt vermarkten. Für Neuanlagen unterhalb dieser Grenze ist die Direktvermarktung optional. Das gilt auch für Bestandsanlagen mit bis zu 500 kW beziehungsweise 100 kW - abhängig vom Datum der Inbetriebnahme. Sie verkaufen ihn dann außerhalb der fixen Einspeisevergütung im Rahmen der Direktvermarktung. Das geschieht entweder an der Strombörse oder über direkte Verträge mit Großabnehmern. Ziel ist es, die Kosten für die Energiewende zu senken.
Regelenergiemarkt
Zum Ausgleich der Schwankungen zwischen Stromnachfrage und Stromangebot schreiben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber in ihren Regelzonen die Bereitstellung von Regelenergie aus. Wer Regelenergie anbietet, muss sicherstellen, dass er auf Knopfdruck die erforderlichen Mengen zum Ausgleich im Netz liefern kann. Der Regelenergiemarkt ist also ein Modul zur Netzstabilisierung und Versorgungssicherheit. Dabei kann im Stromnetz sowohl Strom entnommen als auch zusätzlich eingespeist werden. Stromeinspeisung zum Ausgleich eines erhöhten Bedarfs wird als positive Regelenergie, die Drosselung der Einspeisung bei einem niedrigeren Bedarf als negative Regelenergie bezeichnet.
Der Regelenergiemarkt eröffnet für Energieerzeuger die Chance auf ein Zusatzgeschäft: Sie bekommen für die Teilnahme am Regelenergiemarkt, der die Lieferung von Ausgleichselektrizität in bestimmten Zeitspannen gewährleistet, eine Extravergütung. Dabei gilt:
- In der Primärregelung muss Strom innerhalb von 30 Sekunden bereitgestellt werden.
- Die Sekundärregelung wird eine Schwankung bis zu 5 Minuten lang ausgeglichen.
- Die Tertiärregelung (auch: Minutenreserve) schließt an die Sekundärregelenergie an, hier wird Strom mindestens 15 Minuten lang in voller Höhe abgerufen.
Regelenergie können nicht nur größere Kraftwerke bereitstellen. Auch mehrere kleine Erzeuger, zum Beispiel Blockheizkraftwerke, können mithilfe von IT-Systemen zu einem abrufbereiten Pool zusammengeschlossen werden. Einige Energieunternehmen bieten dies bereits Geschäftskunden an, die solche kleineren Anlagen betreiben.
Eine Möglichkeit, am Regelenergiemarkt teilzunehmen, sind Pufferspeicher. Das Marktprämienmodell der Bundesregierung, das im novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2014 verankert ist, schreibt vor, dass Betreiber von Blockheizkraftwerken den dort erzeugten Strom selbst vermarkten müssen. Durch den Pufferspeicher schaffen sich Energieunternehmen einen Spielraum, die Blockheizkraftwerke so zu steuern, dass die Erlöse aus dem Stromverkauf möglichst hoch sind und die erzeugte Wärmemenge gespeichert werden kann.
Einspeisevorrang und EEG-Umlage
Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber kaufen den Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen auf. Er wird „vorrangig“ ins Netz eingespeist. Sie müssen das laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) tun. Die Abnahmegarantie hat zu einem Boom der erneuerbaren Energien geführt, was mit dem EEG auch beabsichtigt war. Der Abnahmepreis ist im Gesetz als sogenannte Einspeisevergütung festgeschrieben. Sie ist auf 20 Jahre garantiert und hängt davon ab, wie der Strom erzeugt wurde – also ob aus Wind, Sonne oder Biomasse – und in welchem Jahr die Anlage in Betrieb ging. Erstmals 2021 fallen Anlagen aus dieser Förderung heraus, für sie sind die 20 Jahre vergangen.
Den Strom aus den geförderten Anlagen verkaufen die Netzbetreiber an der Strombörse. Der Erlös, den sie erhalten, hängt vom jeweiligen Strompreis an der Börse ab. Da der Strompreis an der Börse seit einiger Zeit sehr niedrig ist, deckt der Erlös nicht die Kosten der Netzbetreiber für die Abnahme des Stroms zu den garantierten Einspeisevergütungen. Diese Differenz muss über die „EEG-Umlage“, einen Bestandteil des Strompreises, gedeckt werden.
Der Einspeisevorrang soll den Wettbewerbsnachteil der erneuerbaren Energien gegenüber der konventionellen Stromerzeugung ausgleichen: Strom aus Sonne und Wind ist wetterabhängig, kann also nicht nach Fahrplan produziert werden. Außerdem ist mit dem Vorrang die Abnahme der erzeugten Energie garantiert. Ein Überangebot an Strom aus erneuerbaren Energien drückt allerdings den Strompreis an der Börse. Mit der Folge: Kohle- und Gaskraftwerke kommen nicht mehr zum Zuge, sie werden unwirtschaftlich.
Stromvertrieb
Mit dem Stromeinkauf ist es nicht getan. Der eingekaufte Strom muss zu bestimmten Zeiten in bestimmten Mengen an bestimmte Orte transportiert werden. Betreiber von Stromnetzen und Energieunternehmen oder -lieferanten sind streng voneinander getrennt; sie dürfen keine Kundendaten untereinander austauschen, damit keine Wettbewerbsvorteile für den einen oder anderen entstehen können (Unbundling). Für die Durchleitung des Stroms durch das Netz eines Betreibers erhält dieser Netzentgelte (auch Netznutzungsgebühren genannt). Die Kosten für diese Netznutzung sind ebenfalls staatlich reguliert. Sie werden von Landesregulierungsbehörden und der Bundesnetzagentur festgelegt. Als Basis dafür dienen die Kosten des günstigsten Betreibers mit vergleichbarer Netzstruktur (Anreizregulierung).
Das Netzentgelt hat durchschnittlich einen Anteil von 204 Prozent am Strompreis eines Privathaushalts. Das Entgelt zahlt das Energieunternehmen an alle Besitzer der Netze, die zwischen ihm und dem erzeugenden Kraftwerk liegen.
Dass das Netzentgelt staatlich reguliert ist, ist sinnvoll. Denn eine Konkurrenz um die Nutzung von Stromnetzen macht volkswirtschaftlich keinen Sinn: Dafür müsste es eine Vielzahl von zusätzlichen Leitungen geben, die parallel zu den existierenden aufgestellt oder in der Erde vergraben sind. Das Stromnetz ist daher ein „natürliches Monopol“. Um dennoch Wettbewerb zu ermöglichen, sind alle Netzbetreiber zur Durchleitung von Strom verpflichtet – gleich, von wem er gekauft und „geschickt“ wird. Das nennt sich diskriminierungsfreier Zugang.
Auch diesen Teil des Strompreises kann also das Energieunternehmen nicht beeinflussen. In der Hand hat er allein seinen Aufwand: mit welchen Kosten er sein örtliches Verteilnetz betreibt, wie viel Budget er für seinen Handel und Vertrieb, seine Verwaltung, seinen Kundenservice und weitere Aufwendungen braucht. Auf diese Kosten entfällt rund ein Viertel des Strompreises.
Dennoch gilt: Wer Strom bei einem Anbieter kauft, bekommt nicht unbedingt genau den Strom, den dieser an der Börse beschafft hat. Man kann sich das deutsche Stromnetz auch als See vorstellen. Auf der einen Seite speisen Energieerzeuger Strom ein, auf der anderen Seite entnehmen die Verbraucher die Menge, die sie brauchen – unabhängig von der Herkunft des Stroms. Physisch beziehen Verbraucher deshalb Strom gemischten Ursprungs.
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